Herr der Moore
miteinander glücklich geworden. Das schien sie zwar auch so zu sein, doch Mrs. Fletcher musste ständig so tun, als sei es die reine Folter.
»Sie sind unverbesserlich«, schalt sie Grady, seufzte und schloss die Augen.
»Nun ja, ich vergesse mich selbst im Angesicht solch frappanter Schönheit wie Ihrer.«
»Jetzt aber«, ereiferte sich die Tagelöhnerin mit einem Lächeln. Sie fuchtelte mit ihrer Serviette vor Grady herum, als handle es sich um einen Talisman zur Abwehr böser Geister. »Denken Sie an die Kinder und zügeln Sie sich.«
»Ist schon gut«, warf Kate ein und handelte sich damit einen skeptischen Blick von Mrs. Fletcher ein.
»Die beiden sind wohl verliebt«, schätzte Neil. Seine verschwörerische Miene machte das Trübsal vergessen, das er zuvor verbreitet hatte, und Kate war froh, dass sich der Sauertopf zu ein wenig Heiterkeit hinreißen ließ.
Die Haushälterin tat erschrocken: »Neil! Mr. Grady und ich wären äußerst dankbar, ließen Sie Ihre vorlauten Bemerkungen bleiben.« Sie pantschte im Topf herum und lenkte sich ab, indem sie Nachschlag verteilte, obwohl niemand darum gebeten hatte. Als Grady, der sich sichtlich gut unterhielt, ihre Hand berührte, entzog sie sich, als hätte er sie verbrannt.
»Ach«, bemerkte er versonnen. »Der harmlose Bengel weiß einfach um den hohen Wert der Wahrheit.«
»Kommen Sie mir nicht damit.« Mrs. Fletcher winkte ab. »All dieser Spott bringt mich noch irgendwann in eine Anstalt für Kopfkranke.«
»Wir würden Sie jeden Tag besuchen«, behauptete Kate, »und Grady brächte gewiss regelmäßig Blumen, um Ihre Zelle aufzuhübschen.«
»Darüber macht man keine Scherze«, gab die Frau zu bedenken. »Ich persönlich kenne Menschen, die irgendwann einen Knacks davontrugen. Solche Häuser seien, so sagt man, schaurige Orte … der Hölle nicht unähnlich, bloß ohne Feuersbrunst.«
»Na dann …« Kate lupfte einen Fleischbrocken aus ihrer Schale und steckte ihn in den Mund. »Wir alle tun gut daran, unser Oberstübchen sauber zu halten.«
Grady gluckste und schaute aus dem Fenster über dem Waschbecken. Grelle Blitze zerrissen die tiefe Finsternis, und ein furioser Wind peitschte gegen das Gemäuer.
»Nachher, wenn wir zum Fest gehen, sollten wir uns auf einen Spießrutenlauf gefasst machen. Lachhaft, dass wir uns Sorgen wegen des Nebels machten …«
»Sie werden Ihre Mäntel anziehen«, gebot Mrs. Fletcher. »Noch mehr kranke Bewohner braucht dieses Haus nun wirklich nicht.«
Neil hielt sich die Hand beim Aufstoßen vor den Mund und fragte dann: »Besucht Campbell Daddy heute Abend noch?«
Mrs. Fletcher schnaubte unwirsch. »Er hätte schon vor einer halben Stunde hier sein sollen.«
»Liegt wohl am Wetter«, vermutete Grady.
»Kann sein, aber wir alle wissen doch, dass es eher der warme Fusel im Fox & Mare ist, der ihn aufhält.«
»Dann schauen wir auf dem Weg zum Tanz dort vorbei«, schlug er vor.
»Werden Sie Daddy später, wenn wir fort sind, eine Weile Gesellschaft leisten?«, fragte Kate die Haushälterin. »Er könnte ja wieder wach werden und wäre dann nicht so allein.«
Es donnerte, dass die Teller auf dem Tisch klapperten.
»Gewiss doch, machen Sie sich darüber keine Gedanken. Ich nehme es mit jeder Krankenschwester auf. Genau genommen werde ich mir meine Stickerei vornehmen und mich zu ihm setzen, bis Sie nach Hause zurückkehren.«
Kate freute sich. »Danke.« Wusste Mrs. Fletcher eigentlich, dass der Arzt ihrem Vater silbernes Blut abgenommen hatte?
Die Frau wollte sich nicht bauchpinseln lassen. »Ich bin Ihrem alten Herrn schon zur Hand gegangen, da mussten Sie beide erst noch geboren werden. Für mich ist es nichts Neues, an seinem Bett zu wachen.«
»Tja, dann muss ich mir eine neue Tanzpartnerin suchen«, gab Grady mit gespielter Enttäuschung kund. »Gewiss wird keine so leichtfüßig wie Sie schreiten.«
»Seien Sie vorsichtig, oder ich kippe Ihnen eine Schale Götterspeise über den Kopf.«
»Sehen Sie?« Grady wandte sich an die beiden Kinder. »Diese Einstellung ist es, die ich bei Frauen suche.«
Neil lachte so ausgelassen, dass er sich fast am Essen verschluckte, und beruhigte sich erst wieder, nachdem ihm seine erschrockene Schwester ein paarmal auf den Rücken geklopft hatte. Dann kicherte er leise weiter, bis sich Kate angesteckt sah, und zuletzt stimmten sowohl Grady als auch Mrs. Fletcher ein.
Draußen wurde das Unwetter immer schlimmer.
***
Abergläubischer alter Mann, schalt sich Grady und
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