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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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langsam aus dem dämmerigen Licht. Sein Körper war unter den Falten im Bettzeug kaum auszumachen. Dunkle Augen blinzelten aus einem verlebten Gesicht. Ein Schauer überkam sie – gleich darauf Scham. Wie konnte sie bloß so abweisend auf einen grundanständigen, aber arg gebeutelten Mann reagieren, der obendrein ihr Arbeitgeber war und sich während der Jahre, in denen sie ihm gedient hatte, als immerzu edelmütig erwiesen hatte?
    »Master?«, fragte sie wieder, als sie sich über den Fuß des Bettes beugte.
    »Florence …«
    Sie meinte, an Ort und Stelle einen Infarkt zu erleiden. Von allen Geräuschen, mit denen sie nachts in diesem erhaben leeren Haus gerechnet hatte, stand die Stimme ihres Herrn an hinterster Stelle. Sie jagte ihr Angst ein und schenkte ihr gleichzeitig Hoffnung.
    »Oh mein Gott.«
    »Florence«, wiederholte er. Die beiden Silben blieben ein bloßes Knarren. »Sie müssen mich umbringen.«

14

    »Grady!«
    Die Aufregung in Kates Stimme ließ ihn auf dem Fuß stehen bleiben. Er drehte sich um, hob seine Laterne und bemühte sich, ihr Gesicht gegen den Regen zu erkennen. »Was ist los?«
    Ihre entsetzte Miene weckte in ihm die bange Ahnung, dass seine jüngsten Schreckensbilder hier und jetzt inmitten des Unwetters zur Realität wurden. Bei Regen und Donnerwetter würde niemand ihre Hilfeschreie hören – auch nicht unter der Voraussetzung, dass manche Dorfbewohner der Feier fernblieben.
    Kate zeigte mit zittrigem Finger auf seine Brust, doch als er an sich nach unten schaute, war da nichts, zumindest nichts Sichtbares. »Was denn?«
    »Der Sack«, blaffte sie. »Die Kürbisse.«
    »Was ist mit ihnen?«, fragte er und spürte schon, wie die Jute zwischen seinen Schulterblättern zu Eis wurde.
    »Sie bewegen sich!«
    Sofort ließ er die Last fallen und trat zurück.
    »Was soll schon drinstecken?«, wunderte sich Neil, dessen Pupillen im Schein der Lampe in alle Richtungen rollten.
    Grady verlieh seinem Unwissen gestisch Ausdruck, da er für den Augenblick vergaß, dass der Junge blind war. Dem Sack näherte er sich nur so weit, bis er ihn mit dem Fuß anstoßen konnte, woraufhin sich der Inhalt regte.
    »Sie haben recht«, sagte er zu Kate, die sich neben ihn gestellt hatte und ihre Laterne vorstreckte, um mehr Licht auf das zuckende Bündel zu werfen. Es sah aus wie ein Niedergestreckter, der in den letzten Zügen lag.
    »Vielleicht ist meine Rübe zum Leben erwacht«, zog Neil sarkastisch in Erwägung. »Erinnert mich an die Geschichte, die Sie uns, als wir klein waren, über Stingy Jack erzählten, der erstickt ist an …«
    »Das reicht«, lenkte Kate ein, »und das Gemüse in der Geschichte ist nicht lebendig geworden … genauso wenig wie das hier.«
    Grady pirschte sich vorsichtig an den Saum des Sackes. Dann blickte er auf, zwinkerte die Feuchtigkeit aus seinen Augen und sprach: »Wenn Sie beide bitte ein wenig zurücktreten würden … falls etwas herausspringt, wollen Sie nicht direkt davorstehen, oder?«
    Die Kinder folgten der Anweisung kopfschüttelnd.
    Grady atmete tief ein, bückte sich und packte einen Zipfel des Sackes. Ein rascher Blick auf seine Schutzbefohlenen – sie hielten genügend Abstand –, und er zerrte am Stoff. Wie er damit zur Seite schnellte, kullerten die Früchte heraus, die Rübe hinterher. Nachdem alles in einer Entfernung von mehreren Fuß liegen geblieben war, bewegte sich nichts mehr.
    »Haben Sie es gesehen?«, fragte Kate.
    »War es eine Ratte?«, schob Neil nach.
    Grady runzelte die Stirn und verneinte. »Mir ist nichts aufgefallen.« Er hob den Sack an der Kante an, die er zuvor genommen hatte, und schüttelte ihn aus.
    Plötzlich ertönte ein schriller Schrei. Der Diener ließ selbst einen folgen und warf die Jute nieder. Etwas Schwarzes, ein langer Leib schlängelte sich heraus. Grady vollzog mit, wie das Tier auf die Straße plumpste. Nachdem es ihn mit bedrohlich roten Augen angeglotzt hatte, huschte es ins Dickicht.
    »Meine Güte«, schnaufte er und beugte sich vornüber, um wieder Luft zu bekommen. Kate und Neil lachten sich halb tot, schlugen einander auf den Rücken und schnitten vergnügte Grimassen.
    »Ah, ich verstehe«, sagte Grady. »Ich wurde hereingelegt. Möchten Sie mich aufklären?«
    »Verzeihung«, erwiderte Kate, die den Anfall immer noch nicht überwunden hatte. »Wirklich, es war nicht so gemeint.«
    »Da bin ich mir sicher.«
    »Nein, ernsthaft! Als Sie den Sack nach dem Abendessen in den Keller brachten, sah ich eine Ratte

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