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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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Fowler so gezwungen freundlich gab, war klar, dass er sich nicht vor den Kindern äußern wollte, also bezeugte ihr Begleiter mit einem Nicken, dass er begriffen hatte, und schob Kate sanft ein paar Schritte voran. »Ziehen Sie die Regenmäntel aus«, riet er. »Sie können bestimmt kaum erwarten, Ihre Kostüme zu präsentieren, und falls doch nicht, sollten Sie es dennoch tun, nachdem sich Mrs. Fletcher wochenlang wunde Finger genäht hat. Auf jetzt.«
    »Sie sind bloß neidisch, weil wir kein passendes für Sie gefunden haben«, stichelte Kate.
    Neil bemerkte lapidar: »Er braucht doch keines; ist als Vogelscheuche mitgekommen.«
    Grady sah seine Geduld auf die Probe gestellt, was Kate offenbar nicht entging, denn sie packte Neils Arm, ignorierte sein Widerstreben nebst wüsten Anfeindungen und führte ihn fort. Sein besorgter Blick zeigte einmal mehr Auswirkungen auf ihre eigene Miene. Ein knapper Wink seinerseits mit einer Hand sollte sie beruhigen, aber sie drehte sich um und zog mit ihrem Bruder von dannen. Sie wurden zu zwei von vielen Jugendlichen in einem tanzenden und schnatternden Mob von Schraten und Kobolden. Den alten Mann zwickte ein schlechtes Gewissen, weil er die Geschwister auf solch unterkühlte Weise fortgeschickt und dabei schon wieder Mrs. Fletchers Mühen vorgeschoben hatte. Dies lag an der Nervosität, die ihm bereits den ganzen Tag lang ein Ärgernis war, und in Fowlers Augen erkannte er nun eine ähnliche Beklommenheit wieder. Im Dorf stimmte etwas nicht. Als er sich im Saal unter den Eltern umschaute, die ihren überdrehten Kindern hinterherliefen, entdeckte er hinter den faden Gesichtern ein unterschwelliges Unbehagen, das ihm so zuvor nicht aufgefallen war.
    Sie spüren es auch.
    Wieder schlossen sich Zweifel an. Womöglich witterte er zu vorschnell Verdammnis hinter einer schlichten Reihe von Zufällen, die sich rational erklären ließen. Konnte es nicht am Sturm liegen, dass die Menschen so verstört und unsicher wirkten, als rechneten sie jeden Moment damit, der Wind reiße das Dach des Gemeindehauses wie in Merrivale ab, um sie alle zu verscheuchen.
    Sicher, möglich war es.
    Leider ließen sich die schwarzen, schnittigen Umrisse im Sumpf nicht auf den Wind zurückführen. Der gebar mitnichten glatthäutige Wesen, die wie Räuber durchs Dunkel schlichen, und verschuldete auch nicht Fowlers betretenen Gesichtsausdruck, der Grady sagte, dass ihnen ein und dasselbe Übel schwante, wie es bereits vor all den Jahren der Fall gewesen war, als sie Sylvia Callow gesucht hatten.
    »Was liegt an?«, fragte Grady.
    Fowler kratzte seine Nase und schaute sich um. »Gehen wir nach draußen.«
    »Was? Es regnet Bindfäden, das sehen Sie doch; ich bin nass bis auf die Unterwäsche. Dass es gerade auf meine Schuhe tropft, hat nichts damit zu tun, dass ich klammheimlich meine Blase erleichtere, wissen Sie?«
    »Ja, sicher.« Als Fowler besänftigend die Hände hob, bemerkte Grady, dass sie zitterten. »Ich würde es aber lieber in aller Ruhe erörtern.«
    Grady setzte seine Kapuze wieder auf und fuhr sich mit feuchter Hand über das Gesicht. »Also gut, aber ich sagen Ihnen gleich, dass ich nur ungern erfahre, was Sie auf dem Herzen haben.« Er ließ den Sack mit den Köpfen fallen. »Lassen Sie mich erst diese Boliden aufstellen. Gehen Sie voraus zum Fox ; wir treffen uns dort, sobald ich mich bei den Kindern abgemeldet habe. Es wird doch nicht allzu lange dauern, oder?«
    Fowler sah erleichtert aus. »Nein, bestimmt nicht. Ich bestelle ein Pint für Sie mit.«
    »Nein, lieber einen Whiskey«, bat Grady und mischte sich mit dem Sack unter die Verkleideten.

    ***

    Im Garderobenraum diskutierte Jack the Ripper mit Rotkäppchen. Grady blickte entnervt drein, als er die enge, feuchte Kammer betrat. An den Haken hingen triefende Überwürfe, die von der Seite aus betrachtet im Schein der einzelnen Laterne an der Decke wie eine Ansammlung schlaffer Schemen aussahen. Wieder musste er sich des nagenden Gefühls erwehren, irgendwo ticke eine Uhr und zähle die Sekunden bis zu einer unvorhergesehenen Katastrophe. Banalste Objekte erhielten einen verruchten Anstrich, und das Zwielicht wurde zu einer Decke, unter der fremde Entsetzlichkeiten harrten. Nach den Eindrücken, die er vom Rande des Moors mitgenommen hatte, klopfte sein Herz, als habe er eine Meile im Sprint zurückgelegt, und er musste sich arg zusammennehmen, um Ruhe zu bewahren. An Gespenster glaubte er nicht, auch nicht an Menschenfresser oder

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