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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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hätte, war sie fast beiläufig aufgetaucht und hatte seine Verzweiflung sogar noch mit Witzen heruntergespielt.
    Wütend schüttelte er den Kopf. Nein, so leicht geben sie mich nicht auf.
    Er musste glauben, sie fahndeten nach ihm, und bloß die Ohren spitzen, um ihre Stimmen in der Ferne zu hören; Nacht und Sturm mussten sie übertönen, wenn sie nach ihm riefen.
    »Doch, sie suchen mich«, betonte er trotzig, eher jedoch zur Selbsttäuschung, als um den Fremden zu überzeugen. Dieser schien fest vom Gegenteil überzeugt zu sein, während sich Neil vernunftmäßig einredete, Stephen könne überhaupt nicht wissen, wie Grady und Kate handelten.
    Dem Kerl rang es nur ein Lachen ab. »Ich fürchte, du machst dir falsche Hoffnungen, Neil«, höhnte er, »und diese sind etwas für Narren, die es darauf anlegen enttäuscht zu werden. Ich hätte dich für intelligenter und reifer gehalten; über solcherlei solltest du längst hinausgewachsen sein.«
    »Nun, warum sollten sie mich nicht suchen? Meine Familie würde mich niemals im Stich lassen.«
    »Leider hat sie genau dies wohl doch getan«, beharrte Stephen. »Denk einmal gründlich nach, und du wirst feststellen, dass du deinen Leuten sozusagen genau die Gelegenheit gegeben hast, auf die sie schon lange warten.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das weißt du sehr gut. Würdest du mir widersprechen, wenn ich sagte, Kate sei schon immer Gradys Liebling gewesen? Auch Mrs. Fletcher und dein Vater bevorzugten sie stets.«
    Neil erwiderte nichts, weil er die Wahrheit kannte: Alle mochten Kate lieber, doch wie dies mit seiner gegenwärtigen Lage zusammenhing, verstand er nicht. Man liebte ihn ebenso und hätte ihn nicht darben lassen, wenn er sich verlief. Niemals.
    »Ich fasse dein Schweigen als Zustimmung auf. Du hattest seit jeher das Gefühl, anders als sie zu sein, weil du eben nichts siehst, habe ich recht?«
    Neil realisierte mit Schrecken, dass er sich von Stephens Stimme angesprochen fühlte, denn sie klang warm – vor allem in einer solch abartig kalten Nacht. Es war ein verführerischer Ton; er verhieß Erlösung von allem, und obwohl er sich nach wie vor fürchtete, fühlte er sich nun weniger bedroht.
    »Es gibt einen guten, einen sehr guten Grund dafür, Kind, dass du dich nie wirklich zugehörig gefühlt hast, während deine Familie ihrerseits haderte, dich als gleichwertiges Mitglied aufzunehmen. Oh, missverstehe mich nicht, absichtlich entfremden und verstoßen wollten sie dich nicht aus ihrem warmen Nest, aber in der Natur gestaltet es sich so, dass sich bestimmte Tiere zusammenrotten, genauso wie Menschen Stämme und Sippen bilden. Du warst nie ein Teil von ihnen, Neil, und sie nicht von dir.«
    Der Knabe zitterte und bäumte sich gegen seine Fesseln auf, indes noch schwächer als zuvor. Die Worte des Fremden minderten seinen Widerstand und entzogen ihm die Kraft. Es stimmte, er fühlte sich von allen distanziert, hatte dies jedoch immer auf seine Behinderung zurückgeführt. Bestand Anlass, wenn auch nur ansatzweise, den Behauptungen des Fremden Gehalt zuzumessen?
    »Ich glaube Ihnen nicht«, entschied er schließlich leidlich von sich selbst überzeugt. Ihm war, als hätte der Sturm die Worte davongetragen, doch Stephen entgegnete: »Nicht lange, und du wirst deine Meinung ändern.«

    ***

    »Folgen Sie der Straße so lange wie möglich«, riet Mansfield, »obwohl Sie vermutlich schneller vorankommen, wenn Sie den Weg durch den Sumpf nehmen. Ich kann die Gefahr einschätzen, vertrauen Sie mir, und sie ist bestimmt nicht mehr allein auf die Felder beschränkt. Wenn die Sie suchen, finden sie Sie auch, egal wo Sie sich aufhalten. Ihre einzige Hoffnung besteht also darin, dass Callow Sie mitnehmen will; ist das der Fall, haben Sie nichts von diesen Monstern zu befürchten.«
    Monstern wie dir, dachte Grady und schauderte.
    »Wie ich schon sagte, falls Sie nicht losziehen wollen, verstehe ich das vollkommen. Am vernünftigsten wäre es, bis morgen früh zu warten oder wenigstens den Sturm auszusitzen, aber ich bin nicht sicher, ob wir so viel Zeit haben.«
    Grady verhielt sich weiterhin abweisend. »Sagen Sie mir eines«, forderte er ausdruckslos. »Haben Sie sie geliebt?«
    »Sylvia?«
    »Genau.«
    »Ja, habe ich«, antwortete Mansfield ohne Zögern. »Zuerst war es wohl nur Verlangen. Sie wissen selbst, wie sie aussah und Männern den Kopf verdreht hat. Ich behaupte, keiner im Dorf hätte nicht genauso gehandelt wie ich, wäre er vor die Wahl gestellt

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