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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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zwar zu, die Messe zu verlesen, tändelte jedoch nicht mit der Gemeinde und blieb nie länger als notwendig. Kein Mensch tat dies, so er dort nichts Besonderes zu verrichten hatte, außer meinem närrischen Onkel natürlich.«
    Neil stöhnte. »Was hat das alles mit mir zu tun?«
    »Alles der Reihe nach«, beschwichtigte Stephen. »Das wirst du bald nachvollziehen, und wie gesagt, sobald ich fertig bin, darfst du gehen.«
    Neil spürte unterschwellige Panik aufkommen. Etwas am Tonfall dieses Kerls ließ ihn ahnen, er werde ihn nicht dorthin zurückbringen, wo er ihn mitgenommen hatte, sondern einfach so im Moor aussetzen. Allein.
    Nach langem Schweigen gluckste der Fremde. Neil zuckte zusammen, als er einen frischen Holzscheit ins Feuer warf, woraufhin es laut fauchte und Funken sprühte.
    »Mein Onkel starb in Calinesti«, fuhr Stephen fort. »Seinen geistigen Frieden hatte er bestimmt gefunden nach allem Guten, was diesen armen Landleuten durch ihn widerfahren war.« Er äußerte dies mit unverhohlener Abscheu. »Als wir davon erfuhren, hatten mein Bruder und ich nicht den geringsten Zweifel daran, dass Arthurs Platz im Himmel gesichert war. Schön für ihn , dachten wir und interessierten uns infolge vor allem für sein Vermächtnis. Was hatte er zurückgelassen, um uns Gutes zu tun? Ich haderte als bildender Künstler, während sich Edgard als Musiker durchschlug, und zwar kaum besser als ich. Wir hätten den Nachlass unseres Onkels wahrlich nicht ausgeschlagen. Zumindest glaubte ich das.«
    Er klang verbittert. »Edgard bekam den Löwenanteil … Haus und Land sowie das meiste Geld. Mir vererbte Arthur fünfzig Pfund mit dem Hinweis, ich solle mich damit um einen ehrbareren Beruf bemühen. Logischerweise geriet ich außer mir, doch als ich meinen Bruder aufsuchte, um ihn zur Rede zu stellen, war er trotz seines neuen Vermögens genauso bestürzt. Offenbar hatte er es gleichfalls nur unter Vorbehalt bekommen, denn für Haus und Geld musste er in das verlotterte Dorf ziehen, in dem mein Onkel seinen Frieden gefunden hatte, um dessen Werk zu vollenden. Er sollte eine Schule errichten und einen Lehrer anheuern, was es auch koste. Zweitens sah sich Edgard genötigt, die Menschen dort mit allem zu versorgen, was sie brauchten, um normale Leben zu führen, gesund zu bleiben und sich einen gewissen Wohlstand zu erarbeiten. Ein Freund Arthurs mit Namen Petrica, der, anders als die meisten im Ort, des Englischen mächtig war, würde meinen Bruder dort empfangen und ihm dabei helfen, die Mission aufzunehmen.
    Edgard sträubte sich natürlich. Wochenlang beschwerte er sich und schimpfte, von wegen kein Geld der Welt sei es wert, solche Drecksarbeit zu verrichten und sich damit zu erniedrigen. Am Ende jedoch zerfloss auch sein kärglich Erspartes zusehends, und da der Anwalt unseres Onkels alles aufmerksam im Auge behielt, sah sich mein Bruder gezwungen, die Klausel zu akzeptieren. Für die Vorkehrungen brauchte er eine Woche; dann brach er nach Rumänien auf.«
    Ein Windstoß ließ die Flammen aufstieben und blies Neil Rauch ins Gesicht. Er hustete. Die Müdigkeit setzte ihm arg zu, weshalb er die Augen kaum aufhalten konnte. Dennoch zwang er sich dazu, auf der Hut zu bleiben, weil er daran festhielt, jeden Augenblick nahende Schritte zu hören. Sobald dies geschah, wollte er aufspringen und fliehen, bis Stephen Hand an ihn legte. Das Geräusch von Wind und Regen hinter ihm, deuteten darauf hin, dass der Eingang offen war, und wie vertieft der Mann in seine Erzählung war. Das mochte sich ebenfalls als günstig erweisen.
    »Ich sah ihn fast ein Jahr lang nicht«, sprach Stephen weiter. »Der Mensch, der danach wieder in England auftauchte, war nicht derselbe, der uns verlassen hatte. Um genau zu sein, sah er ziemlich mitgenommen aus, als hätte er im Ausland nichts als Tod und Zerstörung erlebt. Er war furchtbar abgemagert, sein Gesicht eingefallen und seine Haltung verzagt, als befürchte er beim Gehen, in einen Abgrund zu fallen, der sich vor ihm auftat. So sehr ich mich an diesem Anblick hätte ergötzen können, so schwer machte es mir die Frau, die ihn begleitete. Sylvia hatte der Himmel geschickt, ein unvergleichliches Bild wie eine griechische Göttin, Sirene oder andere Sagengestalt, die Herzen schmelzen lässt, sobald man sie nur riecht … ungefähr wie das hübsche, junge Ding, das du begehrst, Neil.«
    Neil stellte sich vor, ins Feuer zu langen, einen flammenden Scheit herauszuziehen und es in die Richtung zu

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