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Herr der Nacht

Herr der Nacht

Titel: Herr der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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Die Vazdru wischten die Tropfen von ihren Damastwangen, doch die Eschva-Frau trug die ihren wie Opale, während die beiden Drin immer noch aus Furcht lauthals heulten. »Nun«, sagte Asrharn, »weiß ich, daß Vayi das Halsband angefertigt hat und Bakvi stahl es. Wie soll ich ihn bestrafen?«
    Bakvi stammelte etwas vor sich hin, und Vayi rief: »Laß ihn im Gift der Schlange schmoren, die seine Buhle ist, laß ihn zehn Menschenjahrhunderte lang sieden. Und dann laß ihn weitere zehn in Lava kochen. Und dann überlaß ihn mir.«
    »Sei still, kleiner Nimmersatt«, sagte Asrharn, und Vayi erbleichte. »Ich allein übe Recht aus in Druhim Vanaschta. Ich sehe zwar, daß der eine ein Dieb ist, aber der andere ist ehrgeizig, prahlerisch, heftig und vorlaut. Böse kleine Drin. Bakvi wird von nun an auf dem Bauch kriechen und als Wurm die Erde in meinem Garten umgraben, bis ich mich an ihn erinnere, denn Diebe können nicht in Versuchung geraten, wenn es nichts zu stehlen gibt«, und im nächsten Augenblick war Bakvi zusammengeschrumpft und auf den Boden gefallen und schlüpfte als kleiner, schwarzer Wurm in die Erde. »Und was Vayi betrifft, so schlage ich sein Geschenk aus, da es im Streit seinen Wert verloren hat. Böser, kleiner Drin, du bist zu stolz auf deine Geschicklichkeit. Ich werde dein Halsband in die Menschenwelt schicken und großes Unheil wird dort daraus erwachsen, was dir sicher gefallen wird – und wer wird bezweifeln, daß ein Drin es gefertigt hat –, aber sie werden niemals deinen Namen erfahren und du wirst kein Ansehen für dein Werk erhalten, keine Könige werden dich in ihrem Hofstaat halten oder samtene Truhen für dich machen lassen, in denen du dich bei Tage verbergen kannst.«
    Darauf verbeugte sich Vayi, denn er sah, daß Asrharn all seine Träume las.
    »Ich bin gestraft«, sagte er, »und belohnt zugleich. Ihr seid gerecht wie immer, Herr der Stadt. Laßt mich nur noch das Gras küssen, auf dem euer Fuß zuletzt geruht hat, und dann will ich gehen.«
    Und er tat dies und ging fort und lag in seiner Höhle am See und dachte an Asrharn, den Schönen, und an Bakvi, den Wurm, der im Garten seine Gänge grub, und an das Silberhalsband mit den sieben Tränen darin, das nun verloren war in der weiten Welt der Menschen.
5
Ein Halsband aus Silber
    Das Geheimnis in dem Halsband war ziemlich einfach: da es ein Zauberding aus der Unterwelt war, bildete es für Menschen und sterbliche Wesen eine Verlockung auf eine Art, wie es kein irdisches Schmuckstück je sein konnte. Mehr, weil es ein Köder war, als durch seine Schönheit. Wer immer es sah, den gelüstete es danach. Und außerdem war es wunderbar gefertigt – selbst Asrharn hatte es zuerst mit Wohlgefallen empfangen. Schließlich waren die sieben, im Netzwerk des Halsbandes eingefaßten Edelsteine Tränen und trugen ihren eigenen bleichen Zauber in sich. Ein Halsband, das in Ehrgeiz und Stolz geformt und mit Leid besetzt war, konnte nur Gier und grinsende Wut aufrühren und danach Tränen bringen.
    Einer der Eschva brachte das Halsband zur Erde. In der Gestalt eines schlanken, dunkelhaarigen jungen Mannes wanderte er verträumt von Ort zu Ort durch die Nacht, schaute in erleuchtete Fenster, rief die Nachtwesen, die Dachse und Panther, zum Spiel auf die Waldlichtungen und starrte in mondgebadeten Tümpeln auf sein Spiegelbild. Im ersten lavendelfarbenen Dämmerlicht des heraufziehenden Tages überquerte der Eschva leise den Marktplatz einer ausgedehnten Stadt und fand auf den Stufen eines Springbrunnens einen schlafenden Bettler. Der Eschva lachte mit den Augen und befestigte behutsam Vayis Halsband um den Nacken des Bettlers. Dann sprang er in die Luft und floh hinweg zur Erdenmitte wie ein dunkler Stern.
    Nach einiger Zeit ging die Sonne auf, und der Marktplatz erwachte zum Leben. Tauben flogen zum Springbrunnen, um zu trinken, und Frauen kamen mit ihren Wasserkrügen zum Klatsch. Der Bettler erhob sich und streckte sich in seinen Lumpen, hob seine Bettlerschale auf und machte sich auf zu seinem Tagwerk; aber er war noch nicht weit gegangen, als auch schon eine Stimme ertönte und ihn fragte, was es sei, das er da um seinen Hals trage. Der Bettler hielt inne und tastete nach dem Halsband. Kaum hatte seine Hand jedoch die glatte Härte von Silber und sein Auge den kühlen Glanz von Juwelen erkundet, als auch schon eine dichtgedrängte, lärmende Menge um ihn erschienen war.
    »Gute Leute«, rief der Bettler bang, »ich bin überrascht, daß ihr

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