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Herr der Nacht

Herr der Nacht

Titel: Herr der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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so an diesem billigen Tand interessiert seid. Es ist nur ein Talisman, den ich von einer Hexe zum Schutz gegen die Pest gekauft habe. Aber ach«, fügte er hinzu, »ich fürchte, er hat mir wenig genützt«, und er entblößte ein paar Flecken und wunde Stellen, die er sich kürzlich zu Bettelzwecken aufgemalt hatte. Die Menge wich unsicher ein bißchen zurück, und der Bettler duckte sich hindurch und lief eine Seitenstraße hinunter, aber nach einem Augenblick rannte der Mob kreischend hinterher. Er floh in einen Juwelierladen und warf sich vor dem Juwelier auf die Knie. »Hilfe! Helft mir, liebster Herr!« schrie der Bettler. »Wenn ihr mich nur rettet, will ich euch mit den Reichtümern der Welt überhäufen.«
    »Du?« fragte der Juwelier verächtlich, aber da er keinen Ärger wollte und die Menge kommen hörte, stieß er den Bettler in eine Truhe, schlug den Deckel zu und ging zur Tür und stellte sich in den Ladeneingang, als ob er beiläufig auf Kundschaft wartete. Kurz darauf zwängte sich die Menge in die Straße und wollte von ihm wissen, ob er einen Bettler vorbeirennen gesehen habe.
    » Ich? « fragte der Juwelier vornehm. »Ich habe bessere Dinge, nach denen ich Ausschau halte.«
    Die Menge debattierte lärmend und begann dann sich in Verwirrung aufzulösen; einige rannten weiter die Straße hinunter, andere zurück und kurz darauf war der Weg frei.
    »Nun«, sagte der Juwelier, als er die Truhe öffnete, »verschwinde, so schnell du kannst.«
    »Tausend Dank«, sagte der Bettler, als er herausstieg, »aber bevor ich euch verlasse, betrachtet diese Halskette und sagt mir, wieviel ihr mir dafür geben würdet.«
    Augenblicklich veränderte sich das Gesicht des Juweliers. Seine Augen und sein Mund wurden schmal, und seine Nase zuckte. Du kannst sicher sein, daß er das Halsband mehr wollte als irgend etwas, aber es erschien ihm ziemlich dumm, einem Bettler etwas dafür zu bezahlen. Solche Kreaturen sind nicht an Geld gewöhnt , dachte er. Wenn ich ihm bezahle, was das Halsband wert ist, wird er mit dem Geld nur Ärger haben. Daher sagte er vorsichtig: »Gib mir eben das Schmuckstück und laß es mich einen Augenblick begutachten.«
    Der Bettler tat, um was man ihn gebeten hatte, doch kaum hatte der Juwelier das Halsband in der Hand, als er rief: »Ah! Ich höre den Mob zurückkommen. Schnell, wieder in die Truhe. Gib keinen Ton von dir, was immer auch geschieht, und ich werde versuchen, dich zu retten.«
    Der Bettler in seiner Angst sprang geradewegs wieder hinein: der Juwelier schlug den Deckel zu und versperrte diesmal die Schlösser. Dann versteckte er das Halsband in seinem Gewand und ging hinauf auf die Straße und rief zwei Träger herbei, die in der Nähe des Weinladens müßiggingen.
    »Hier ist eine Goldmünze für jeden von euch«, sagte er, »wenn ihr mir nur diese armselige, alte Truhe aus dem Weg räumt. Sie verstopft mir schon seit Tagen mein Geschäft, und niemand will mir helfen, sie loszuwerden, weil sie so schwer ist. Aber für euch starke Kerle sollte solch ein Auftrag ein leichtes sein. Tragt sie einfach die Straße runter und werft sie von der Brücke in den Fluß.«
    Dies taten die zwei Träger freudig. Der unglückselige Bettler hielt die ganze Zeit still, wie der Juwelier ihn geheißen hatte, und tatsächlich hörte man nicht mehr viel von ihm.
    *
    Zweifellos hatte der Juwelier beabsichtigt, mit dem Silberhalsband sein Glück zu machen, indem er es an einen reichen Herrn oder eine Dame verkaufte, vielleicht sogar an den König der Stadt. Aber als er es liebend untersuchte, kam ihm der Gedanke, sich überhaupt von dem Halsband zu trennen, schrecklich vor. Alsbald fand er eine Elfenbeinschatulle, die mit Samt ausgelegt war, tat das Halsband hinein, machte die Schatulle zu und verschloß sie. Darauf schlich er verstohlen ins oberste Stockwerk des Hauses und legte die Elfenbeinschatulle in eine Schachtel aus Zedernholz, und diese Zedernholzschachtel in einer größere Kiste aus Eisen und schließlich alle drei Behälter in eine große, alte Truhe, die jener sehr ähnlich war, in die er den unglücklichen Bettler eingesperrt hatte. Zu guter Letzt schleppte er die Truhe in eine winzige Rumpelkammer und verschloß eilends die Tür. Dann nahm er den Türschlüssel und versteckte ihn im Kamin. Solcherart war sein Zustand, seit Vayis Halsband in seinen Besitz gelangt war.
    Als er sich nach dieser Anstrengung die Stirn wischte, kam seine Frau in den Raum, in dem er saß.
    »Ei, Mann, wie

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