Herr der Nacht
Eschva-Frau, die sich tief verbeugte, und nach ihr ein kleiner, vor Freude hüpfender Drin.
»Nun, kleiner Mann«, sagte Asrharn und musterte Bakvi mit durchdringend gedankenvollen Augen, »was ist es, was du suchst?«
Bakvi errötete und stotterte, aber indem er seinen ganzen Mut zusammennahm, rief er schließlich aus: »Oh, Unglaubliche Majestät, ich, Bakvi, der geringste eurer Untertanen, bringe euch ein Geschenk. Unzählige Zeitalter lang habe ich mich im geheimen geplackt, während andere um ihr Werk viel Aufhebens machten und es gerne vorzeigten. Meine ganze Kunst und all meine Liebe habe ich in dies unwürdige Unterpfand meiner Verehrung gegossen. Bitte geruht, einen Blick darauf zu werfen, o Herr der Nacht.«
Und er zog das Silberhalsband hervor und hielt es Asrharn entgegen.
Beide Vazdru-Prinzessinnen stießen einen Schrei aus und klatschten in die Hände. Selbst die juwelenbesetzten Wespen brausten näher heran. Was die Eschva-Frau betrifft, so schloß sie die Augen vor lauter Wonne.
Asrharn lächelte, und dieses Lächeln füllte Bakvi wie einen Becher mit Stolz, aber bevor ein weiteres Wort gewechselt werden konnte, stürzte Vayi in den Garten. Beim Anblick Bakvis und des Halsbandes wurde Vayi blau wie Rauch und ließ ein schreckliches Wutgeheul ertönen.
»Verflucht seien alle Diebe, und verflucht seine alle haarigen Töchter von Lust und Schlemmerei, meine achtbeinigen Dienerinnen, und verflucht seien alle Drin außer mir!«
Die Vazdru und das Eschvamädchen fuhren zurück aus Furcht vor Asrharns Zorn, der den Drin sicherlich in Asche verwandeln würde. Aber Asrharn tat nichts, stand bloß, wo er war, und bald wurde Vayi seiner gewahr wie eines großen Schattens, der aufrecht in die Luft geworfen wurde. Langsam nur wanderten Vayis Augen dann hinauf, bis sie jene Kohlen trafen, die des Prinzen Augen ausmachten.
»Gnade, Unvergleichlicher«, winselte Vayi, »ich vergaß mich in meiner Wut. Aber dieser Sohn einer tauben Fledermaus und einer blinden Eule hat mein Werk gestohlen. Das Halsband, das er krampfhaft festhält, gehört mir, mir !«
»Und hast du ebenfalls beabsichtigt«, sagte Asrharn so sanft wie Honig und Schierling, »das Halsband mir zu geben?«
Darauf schlug Vayi die Fäuste an den Kopf und stampfte mit den Füßen auf.
»Was sonst, o Wunderherrlicher? Ist es nicht schön? Ist es nicht ohnegleichen? Wer sonst sollte es besitzen als der Herrscher ohnegleichen?«
»Gut, gut«, sagte Asrharn. »Und wie soll ich beurteilen, wer dies Geschenk für mich angefertigt hat? Soll ich euch beide auf die Probe stellen?«
Bakvi und Vayi warfen sich beide auf den schwarzen Rasen nieder und baten kreischend um Gnade, aber kurz darauf hörte Vayi auf, das Gras zu kauen und streckte seinen Kopf wieder nach oben.
»Es gibt nur einen Weg, uns auf die Probe zu stellen, Herr. Wenn er das Halsband gemacht hat, so frage ihn, wo er solch seltene und klare Juwelen gefunden hat.«
Asrharn lächelte wieder, doch diesmal anders. Er schaute sinnend auf Bakvi und sagte: »Das scheint mir ganz vernünftig, kleiner Hämmerer. Die Edelsteine sind seltsam und schön. Erzähle mir, wo du sie ausgegraben hast.«
Bakvi richtete sich auf und blickte wild um sich: »In einer tiefen Höhle«, begann er, »fand ich eine merkwürdige Felsenkluft«, aber hierauf stieß Vayi ein stürmisches Gelächter aus. Bakvi hielt inne und begann von neuem. »Als ich am See entlangschlenderte, fand ich eine Eidechse mit einer Metallhaut; ich hob sie am Schwanz hoch und schüttelte ihr die Augen aus.«
»Hatte sie denn sieben Augen?« kläffte Vayi.
»Ja, jawohl, sie hatte«, beeilte sich Bakvi zu plappern, »zwei an jeder Seite der Nase, eins oben am Kopf … äh … eins am Kinn, und … ähem …«
»Pah!« rief Vayi triumphierend. »Seht, wie der Schuft lügt. Ich will euch sagen, o Fabelhafter Gebieter, woher ich meine sieben Juwelen habe.« Und indem er auf ihn zutrat, flüsterte er es ihm zu.
»Das läßt sich leicht nachweisen«, sagte Asrharn und nahm von einer der Vazdru-Prinzessinnen einen Zauberspiegel. Er ließ darin das Bild von Ferashin der Blüten-Geborenen erscheinen und bat sie in seiner leisen, melodiösen Stimme zu weinen. Sein Gebot war so unwiderstehlich, daß alle weinten, die es hörten. Selbst die Blumen ließen Tau aus ihren Kelchen fließen. Ferashins Tränen fielen wie der Regen, und jede glich einer der sieben Juwelen.
»Höre auf zu weinen«, murmelte Asrharn und ließ den Spiegel dunkel werden.
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