Herr der Schlangeninsel
den
seiner Freundin. Gaby wollte das zwar nicht, behauptete, sie sei weder
gebrechlich noch aus Zucker. Aber wenn es um Kavaliers-Gesten geht, die aus dem
Herzen kommen, ist der TKKG-Häuptling eigensinnig.
Sie gingen über die Mole zum Hafen, wo
sich ein buntes Menschengewimmel bewegte.
Karl lachte auf. „Mit unseren Sonnenbrillen“,
meinte er, „sehen wir aus wie Geheim-Agenten. Die anderen Typen haben auch
Sonnenbrillen, sehen aber nur aus wie Touristen. Wu und Zhuo sehen mit oder
ohne Sonnenbrillen immer gleich aus — nämlich wie Gangster auf dem Weg zu einem
Unterwelt-Lehrgang. Daraus schließe ich: Nicht die Sonnenbrille macht den Typ,
sondern der Mensch strahlt das aus, womit er sich mit Leib und Seele
beschäftigt.“
„Dann müßte man in mir sofort den
Schokoladen-Verbraucher erkennen“, sagte Klößchen, „aber das paßt zum Geheim-Agenten.
Der muß sich tarnen und harmlos erscheinen. Es braucht nicht jeder gleich zu
merken, wie gefährlich ich bin.“
Als sie das Ende — andersrum gesehen
den Anfang — der Mole erreichten, hielt Tim Ausschau.
Wo war der Klein-Bus vom Feriendorf
Faul-und-Froh? Zum Service der gebuchten Ferienreise gehörte, daß sie abgeholt
wurden.
Ein Mann löste sich aus der Menge,
hielt ein Schild hoch mit der Aufschrift FAUL UND FROH.
Grinsend ging Tim auf ihn zu.
„Wenn man Sie so sieht, könnte man
denken, Sie verkünden Ihr Lebensgefühl. Guten Tag! Ich bin Peter Carsten, Tim
genannt, dort kommen meine Freunde...“ Er stellte sie vor.
Der Jugendbetreuer — das umriß seine
Aufgabe — war ein junger Deutscher in Shorts und rotem Muskel-Shirt. Ein
Student der Pädagogik ( Erziehungswissenschaft ) und Psychologie (Seelenkunde), wie sich herausstellte. Die blonden Haare trug er lang und hinten
zusammengebunden. Rasieren war bei ihm nur einmal die Woche dran. Er lachte
gern und hieß Kurt Weinot.
„Ihr seid heute der einzige Zulauf“,
meinte er. „Ihr könnt mich duzen. Ich bestehe sogar darauf. Das Feriendorf ist
super. Ich bin diesen Sommer auch zum erstenmal hier. Habe aber meinen Job
schon festgemacht für nächstes Jahr. Habt ihr eure Coupons?“
Damit meinte er die Scheine, die das Reisebüro
stets bei der Buchung an die Touristen ausgibt: die Bestätigung dafür, daß alle
Kosten des Aufenthalts beglichen waren.
Kurt sammelte sie ein.
Sein Klein-Bus, der vor einer Bar mit
Namen Acandia wartete, trug die Aufschrift ,Feriendorf Faul-und-Froh’ in vier
Sprachen.
Die TKKG-Bande lud ihr Gepäck ein.
Die Reise ging los.
Zehn Minuten lang lenkte Kurt den Bus
durch enge Gassen. Manchmal schien der Wagen die Hausnummern zu streifen. Da
auch Fußgänger unterwegs waren, spitzte sich die Situation bisweilen zu. Die
Leute mußten sich in Hauseingänge zurückziehen, damit der Wagen durch konnte.
„Aber niemand schimpft“, lachte Kurt.
„Die Griechen sind überaus gastfreundlich. Als diese Häuser erbaut wurden, gab
es hier keinen Wagen. Was der Mensch nicht schleppen konnte, wurde auf Eseln
transportiert.“
„Das waren noch schöne Zeiten“, seufzte
Gaby.
Tim wandte sich mehrmals um und blickte
durch die Heckscheibe. Aber die Chinesen waren nicht zu sehen. Vermutlich
logierten sie in einem der Hotels im Ort.
Plötzlich endeten die Häuser.
Insel-Landschaft soweit das Auge reichte. Die TKKG-Bande sah üppige Vegetation
mit Myrten, Pistazien, Thymian und Lavendel. Der Duft dieser Pflanzen erfüllte
die Luft. Kiefern und Zypressen wuchsen in den blauen Himmel, Palmen und Kakteen
waren mit sandigem Boden zufrieden. In ihrem südlichen Teil war die Insel eher
flach, nur einige Hügel buckelten sich. Im Norden erhoben sich Berge, aber
keiner kratzte an den Wolken.
„Um es euch kurz zu erklären“, sagte
Kurt, während sie eine staubige Straße entlangfuhren, „das Feriendorf ist ein
geschlossenes Areal. Die Gäste wohnen in kleinen Bungalows. Meistens sind es
Familien. Ihr müßt also auch mit Erwachsenen rechnen. Für Kinder und
Jugendliche, die allein reisen, bin ich zuständig. Nicht als Aufpasser. Aber
dafür, daß es euch an nichts fehlt. Also wendet euch an mich, wenn ihr Wünsche
habt. Fast jede Sportart ist möglich. Für Ausflüge stehen euch Fahrräder zur
Verfügung. Ihr findet sie unter einem großen Palmendach — gleich neben dem
Dorfeingang. Ihr habt den Bungalow Nr. 21 mit vier Schlafzimmern, einem Bad und
dem Aufenthaltsraum. Die schriftliche Erlaubnis eurer Eltern, daß ihr alle
unter einem Dach logieren dürft, liegt mir vor. Das
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