Herr der Schlangeninsel
„Sein Ehrgefühl läßt es nicht zu, einen Meisterdieb in der
Familie zu dulden. Andererseits macht sich der Tauchlehrer teuflische Sorgen.“
„Ist doch albern“, meinte Klößchen,
„daß er leugnet. Wieso ist er nicht ehrlich zu uns?“
„Er kennt uns nicht“, antwortete Tim.
„Woher will er wissen, was wir wirklich im Schilde führe? Und mit dieser
Einstellung hat er recht. Denn wenn es möglich ist, nehmen wir Nick den Jade-Tiger
ab. Deshalb habe ich auch gesagt, daß Chung unser Freund ist. Also handeln wir
in seinem Sinn. Damit wissen die Klaudonias gleich, woran sie sind.“
„Sehr fair“, sagte Gaby.
„Alles andere wäre hinterhältig.“
„Und nun?“ wollte Karl wissen. „Ich
nehme an, wir beschatten Demetrios.“
„Genau.“ Tim wälzte sich auf den Bauch,
nachdem er sein T-Shirt ausgezogen hatte, und spähte zum Swimmingpool hinüber.
„Vielleicht ruft der Tauchlehrer seinen Bruder an. Aber das allein genügt
nicht. Demetrios weiß hier am besten Bescheid und wird sich verantwortlich
fühlen für Nick und die andern. Es geht um ein sicheres Versteck. Also treffen
sie sich irgendwo.“
„Aber wo?“ meinte Klößchen. „Wir haben
keine Ahnung.“
„Deshalb werden wir ihn beschatten.“
„Und wenn er’s merkt?“
„Dann haben wir’s verpatzt und können
einpacken.“
Tim stand auf.
„Wohin?“ fragte Gaby.
„Ich horche Kurt ein bißchen aus. Ihr
beobachtet Demetrios. Langer Pfiff- wenn er abschwirrt.“
Tim fand den Jugendbetreuer bei den
Volleyball-Spielern. Die Mannschaften, die gegeneinander kämpften, bestanden
größtenteils aus Kindern unter zehn, aber auch einige Väter spielten mit.
„Ich habe noch ein paar Fragen, Kurt.
Ich will nämlich für unsere Schüler-Zeitung einen Artikel über das Feriendorf
schreiben. Macht dir doch nichts aus, wenn ich dich löchere?“
„Aber nein“, lachte Kurt. „Frag nur!“
„Fangen wir mit den Angestellten an.
Wohnen die alle im Dorf?“
„Nur einige. Wer aus dem Ort stammt,
kommt morgens und geht abends zurück.“
„Auch Demetrios?“
„Klar. Um 18 Uhr endet sein Dienst.“
„Und dann setzt er sich in seinen
Sportwagen und...“
„Demetrios geht immer zu Fuß. Es ist
doch keine Entfernung.“
Damit es nicht auffiel, daß sein
Interesse ausschließlich dem Tauchlehrer galt, stellte Tim noch andere Fragen.
Dann ließ er sich von der schwächeren Volleyball-Mannschaft aufstellen und
verhalf ihr im Handumdrehen zum Sieg — mit prachtvollen Schmetterbällen am Netz
und gekonntem Blocken.
„Donnerwetter!“ staunte Kurt. „Ich wußte
nicht, daß du Nationalspieler bist.“
„Vielen Dank für das Kompliment“,
lachte Tim. „Volleyball ist meine drittliebste Sportart.“
„Und die andern?“
„Fernöstliche Kampfkunst und
Radrennen.“
Der TKKG-Häuptling ging zu seinen
Freunden zurück. Demetrios saß noch immer am Swimmingpool, hatte den Kopf in
die Hände gestützt und starrte zu Boden.
17. Die Chinesen sind schneller
Klößchen fluchte wie ein Kesselflicker.
Um 19 Uhr sollte das Abendessen
beginnen. Dann würde man das Büfett unter den Sonnendächern eröffnen. Im
allgemeinen zog sich der gemeinsame Schmaus bis 21 Uhr hin. Und Klößchens
Vorfreude hatte Gipfel erklommen in seiner hungrigen Seele.
„Um 18 Uhr macht Demetrios Feierabend“,
sagte Tim. „Er bleibt nicht zum Essen. Damit wir nicht auffallen, werden wir
ihm nicht von hier aus folgen, sondern bereits kurz vor Dikti Sfakion auf ihn
lauern. Ich denke da an ein Gebüsch, an dem er vorbei muß. Ich vermute: Wenn er
das Feriendorf verläßt, sieht er sich vor. Er wird sich umblicken. Aber wir
verfolgen ihn nicht. Er ist beruhigt, und seine Vorsicht läßt nach. Wenn wir
uns dann kurz vor dem Ort auf seine Fährte setzen, haben wir eine gute Chance,
daß er uns nicht bemerkt.“
„Ohne mich!“ Klößchen knirschte mit den
Zähnen. „Mit dieser Quälerei fange ich gar nicht erst an. Denn es läuft nur auf
eins raus: Wieder kein Abendessen. Wenn wir nämlich Pech haben, sind wir vor
neun nicht zurück.“
„Wenn wir Pech haben“, lachte Karl,
„dauert es die halbe Nacht.“
„Ich bestehe auf mein Abendessen“,
jaulte Klößchen. „Mindestens fünfmal werde ich mir nachlegen. Das ist erlaubt.“
„Dann bleibst du eben hier“, sagte Tim.
„Wir kommen auch ohne dich klar. Wenn dir deine Verfressenheit wichtiger ist
als unsere Aufgabe — bitte!“
„Es ist ja auch mein Urlaub, zum
Hermes! Zum Zeus! Zum Poseidon! Ich
Weitere Kostenlose Bücher