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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nicht der leibhaftige Gottseibeiuns,
    wer konnte sonst der geheimnisvolle Chauffeur sein, der
    diese nicht weniger geheimnisvolle Maschine mit so uner-
    hörter Schnelligkeit dahinrollen ließ?
    Außer allem Zweifel stand nur, daß der Wagen, der jetzt
    in der Richtung nach Madison hinsauste, derselbe war, der
    schon vorher die allgemeine Aufmerksamkeit erregt hatte,
    ohne daß es den Behörden gelang, seiner habhaft zu wer-
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    den. Wenn die Polizei glaubte, daß man nie wieder von ihm
    reden hören würde, so hatte sich die wohllöbliche Polizei
    eben getäuscht, wie das ja in Amerika ebenso wie anderswo
    vorkommt.
    Als der erste Schreck überwunden war, liefen die Ver-
    ständigsten nach dem Telefon, um an den verschiedenen
    Kontrollstationen vor der Gefahr zu warnen, die die auf der
    Straße zerstreuten Automobile bedrohte, wenn das unbe-
    kannte Wesen – mochte es sein, welches es wollte – das die-

ses außergewöhnliche Gefährt lenkte, einer Lawine ähnlich
    dahergestürmt kam. Die andern würden zertrümmert, zer-
    malmt, vollständig vernichtet werden, während jenes selbst
    vielleicht heil und gesund davonkam. Allem Anschein nach
    mußte dieser Meister aller Chauffeure freilich so gewandt
    sein, er mußte sein Gefährt mit so sicherem Auge und fester
    Hand zu leiten verstehen, daß er gewiß auch jeden Anprall
    an ein Hindernis zu vermeiden wußte. Immerhin, wenn die
    Behörden von Wisconsin Maßnahmen getroffen hatten,
    die Landstraße für die Teilnehmer an dem internationalen
    Match freizuhalten, dann war sie es jetzt nicht mehr.
    Von den telefonisch benachrichtigten Rennfahrern, die
    ihren Kampf um den ersten Preis des Automobilklubs hat-
    ten unterbrechen müssen, gingen folgende Meldungen ein.
    Ihrer Schätzung nach durchmaß das wunderbare Gefährt
    nicht weniger als 130 Meilen (etwas über 200 Kilometer)
    in der Stunde. Seine Geschwindigkeit war, als es vorüber-
    flog, so groß, daß man die Form des Gefährts kaum erken-
    nen konnte; es erschien fast wie eine Spindel höchstens von
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    10 Meter Länge. Seine Räder drehten sich so rasend schnell,
    daß ihre Speichen für das Auge eine Scheibe bildeten. Üb-
    rigens hinterließ es weder Dampf noch Rauch oder einen
    merkbaren Geruch.
    Den in seinem Automobil ganz eingeschlossenen Füh-
    rer konnte man überhaupt nicht sehen; er blieb jetzt also
    noch ebenso unbekannt wie damals, als er sich zuerst auf
    den Straßen der Union hinbewegte.
    Durch die telefonischen Stationen war das Eintreffen
    dieses unerwarteten Outsiders nach Milwaukee gemel-
    det worden. Das Aufsehen, das diese Nachricht erregte,
    kann man sich wohl leicht ausmalen. Anfangs tauchte da-
    bei die Frage auf, ob man nicht quer über die Landstraße
    eine Sperrwand errichten sollte, woran das »Projektil« in
    tausend Stücke zersprengt würde. Ja, hatte man denn noch
    Zeit dazu? Konnte der Chauffeur nicht jeden Augenblick
    angesaust kommen? Er war schließlich ja gezwungen, seine
    Gangart nolens volens zu mäßigen, da die Rennstrecke
    am Michigansee endete, über den er ja nicht weiterfahren
    konnte, wenn sein Wagen sich nicht in ein schwimmendes
    Fahrzeug verwandelte.
    Das war der Gedankengang, der die vor Milwaukee an-
    gesammelten Zuschauer beherrschte, die aber vorsichtig ge-
    nug waren, sich genügend weit von der Straße zurückzuzie-
    hen, um nicht unversehens überfahren zu werden.
    Wie in Prairie-du-Chien und in Madison, erging man
    sich auch hier in den tollsten Hypothesen. Denen, die nicht
    zugestehen wollten, daß der geheimnisvolle Chauffeur der

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    leibhaftige Teufel wäre, widerstrebte es doch nicht, in ihm
    irgendein fantastisches Ungeheuer aus den Höhlen der
    Apokalypse zu sehen.
    Jetzt erwarteten die entsetzten Neugierigen schon nicht
    mehr von Minute zu Minute, sondern von Sekunde zu Se-
    kunde das Auftauchen des fürchterlichen Automobils.
    Es war noch nicht ganz 11 Uhr, als ein fernes Rollen von
    der Straße her hörbar wurde, auf der der Staub in mächti-
    gen Wolken aufwirbelte. Ein kreischendes Pfeifen zerriß die
    Luft, und man sah das Publikum dem Ungeheuer, das seine
    Schnelligkeit nicht verminderte, genügend Raum geben.
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    Und doch war der Michigansee von dem Standpunkt der
    Zuschauer kaum noch eine halbe Meile (800 Meter) ent-
    fernt, und bei der rasenden Eile mußte der Kraftwagen vor-
    aussichtlich ins Wasser stürzen. Hatte der Mechaniker darin
    etwa die Herrschaft über seinen Mechanismus

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