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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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fortkom-
    men?«
    »Jawohl«, versicherte Wells. »Ich habe das Gehölz schon
    in jeder Richtung hin durchmessen. 5- bis 600 Schritte von
    hier befindet sich darin eine Lichtung, wo unsere Tiere wei-
    den können. Sobald es dann die Dunkelheit erlaubt, gehen
    wir vorsichtig weiter hinunter bis zu den Felsen, die den
    Hintergrund der Bucht umschließen.«
    Dem Ratschlag Wells mußten wir natürlich Folge leisten.
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    Das Gespann am Zügel geführt, meine Begleiter und ich zu
    Fuß, drangen wir unter die Bäume ein.
    Strandkiefern, immergrüne Eichen und Zypressen stan-
    den hier dicht und regellos nebeneinander. Den Boden
    bedeckte ein üppiger Teppich von verschiedenen Gräsern
    nebst abgefallenen Blättern. Die hohen Baumkronen wa-
    ren so dicht belaubt, daß die Strahlen der dem Untergang
    nahen Sonne sie nicht zu durchdringen vermochten. Von
    Wegen, selbst von Wildpfaden, sah man keine Spur. Den-
    noch erreichte der Break – ohne einige derbe Stöße war es
    freilich nicht abgegangen – nach 10 Minuten die erwähnte
    Lichtung.
    Umrahmt von hohen Bäumen, bildete diese etwa ein
    Oval und war von saftigen Gräsern bedeckt. Hier war es
    noch hell; vor Verlauf einer Stunde konnte es schwerlich
    dunkel werden. An Zeit gebrach es uns also nicht, eine Art
    Lager herzurichten und von der anstrengenden Fahrt auf
    ziemlich holpriger Landstraße auszuruhen.
    Natürlich verlangte es uns sehr, an der Bucht zu sein und
    uns zu überzeugen, ob die ›Terror‹ noch dalag. Die Klugheit
    gebot aber zu warten. Ein wenig Geduld . . . dann würde die
    Dunkelheit gestatten, uns dieser zu nähern, ohne die Ge-
    fahr, gesehen zu werden. Das war die Ansicht Wells’, und es
    erschien mir ratsam, dieser Rechnung zu tragen.
    Die abgezäumten und auf dem Weideplatz frei umher-
    laufenden Pferde sollten während unserer Abwesenheit un-
    ter der Obhut des Wagenführers bleiben. Jetzt wurden die
    Sitzkästen des Breaks geöffnet, woraus John Hart und Nab
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    Walker die mitgebrachten Lebensmittel hervorholten, die
    sie am Fuß einer herrlichen Zypresse niederlegten, welche
    mich lebhaft an den Waldbestand bei Morganton und Plea-
    sant Garden erinnerte. Wir hatten Hunger, und an Durst
    fehlte es uns natürlich auch nicht. An Speise und Trank war
    jedoch kein Mangel. Nachher wurden die Pfeifen angezün-
    det, und so warteten wir den Zeitpunkt ab, wo wir aufbre-
    chen konnten.
    Ringsumher im Wald herrschte tiefes Schweigen. Mit
    dem Herannahen des Abends legte sich auch der Wind
    mehr und mehr, und kaum zitterten noch die Blätter an
    den Spitzen der obersten Zweige. Nach dem Untergang der
    Sonne verdunkelte sich allmählich der Himmel, und die
    Dämmerung wich der zunehmenden Finsternis.
    Ich sah nach meiner Uhr; sie zeigte auf halb 9.
    »Es ist nun wohl Zeit, Wells . . .«
    »Ich bin bereit, Mr. Strock.«
    »Nun denn, vorwärts!«
    Dem Kutscher wurde noch besonders empfohlen, wäh-
    rend unseres Fernbleibens die Pferde sich nicht vom Weide-
    platz verirren zu lassen.
    Wells schritt voraus. Ich hielt mich dicht hinter ihm, und
    mir folgten John Hart und Nab Walker. In der Finsternis
    wäre es uns schwer geworden, den richtigen Weg einzuhal-
    ten, wenn Wells nicht als Führer gedient hätte.
    Endlich sind wir am andern Rand des Gehölzes. Vor uns
    liegt der Strand bis zur Bucht von Black Rock.
    Alles ist still, alles verlassen. Wir können uns sorglos

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    weiter vorwagen. Ist die ›Terror‹ noch da, so muß sie an der
    Seeseite der Felswand ankern.
    Ist sie aber auch wirklich hoch da? Das ist die einzige,
    die wichtigste Frage, und ich gestehe, daß mir jetzt, wo die
    aufregende Angelegenheit ihre Lösung finden sollte, das
    Herz recht stürmisch klopfte.
    Wells gibt ein Zeichen, weiterzugehen. Der Sand des
    Strands knirscht unter unseren Füßen. Nur 200 Schritte, für
    die wenige Minuten genügen, und wir stehen an einer der
    Gesteinslücken, die zum Seeufer führen.
    Nichts . . . nichts! . . . Die Stelle, an der Wells die ›Terror‹
    vor 48 Stunden gesehen hatte, ist leer! Der »Herr der Welt«
    befindet sich nicht mehr in der Bucht von Black Rock.
    12. KAPITEL
    Die Bucht von Black Rock
    Wie sehr sich die menschliche Natur von Illusionen beein-
    flussen läßt, weiß ja wohl jedermann. Zweifellos lag doch
    die Möglichkeit vor, daß der so eifrig gesuchte Apparat nicht
    mehr an derselben Stelle wäre . . . immer vorausgesetzt, daß
    es dieser gewesen war, den Wells am Nachmittag des 27.
    hatte

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