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Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Meyer
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Kraftanstrengungen. So gelangten auch Wesen, wie sie es waren, schnell an die Grenzen. Eugeñio spürte, er hatte nicht mehr viel Zeit, wollte er sich nicht auf ewig in dieser Ebene verlieren.
    „Wie? Julie, wie?“ rief er ihr noch nach. Aber sie war bereits nicht mehr hier! Nur Augenblicke später spürte der Vampir schon wieder die festen Bestandteile seines Zimmers. Erschöpft öffnete er seine Augen. Gaston saß völlig in sich zusammengesunken da. Nur die Kraft seiner seitlich abgestützten Arme hielt ihn noch aufrecht. Seine Haut wirkte durchscheinend. Er sah aus, als hätte er Wochen, wenn nicht sogar Monate kein Blut mehr zu sich genommen hätte. Eugeñio wunderte sich, dass er ihn nicht einfach im Stich gelassen hatte, als die Anstrengungen über seine Kräfte gegangen waren. Aber er war geblieben, hatte seine Kraft ihnen zur Verfügung gestellt, solange es ging. Eugeñio selbst brauchte auch eine Weile, ehe er sich schwerfällig erheben konnte. Nichts zeugte mehr von den katzengleichen Bewegungen, mit denen er sich sonst bewegte. Aber gleich, so wusste er, würde es ihnen beiden wieder besser gehen. Er hatte vorgesorgt! Im Nebenzimmer warteten schon zwei Frauen darauf, von ihnen ausgesaugt zu werden. Eugeñio hatte sie unter Hypnose gesetzt. Schon sehr lange hatte er nicht mehr zu solchen Mitteln gegriffen, um seine Beute gefügig zu machen. Aber heute hatte er gut daran getan. Nach solch kraftaufreibendem Einsatz wäre er einem Widerstand und sei er auch noch so erbärmlich, schlecht gewachsen gewesen! Er hatte gewusst, dass, falls es funktionierte, solch eine Geistreise ihre letzten Kräfte aufbrauchen würde. Sie hatten sich ja schon in den vergangenen Nächten schlapp gefühlt, aber da waren sie nicht so weit gegangen, wie in dieser Nacht! Langsam öffnete er die Tür zum Nebenzimmer. Die beiden Frauen blickten ihn aus trüben Augen an, in denen kein Leben war. Eugeñio wusste, sie konnten ihn nicht sehen. Ihr Geist war umschleiert, ihre Blicke gingen in weite Ferne. Langsam trat der Vampir näher. Schwer legte er seine Arme um die Frau, die ihm am nächsten war. Er senkte den Kopf und entblößte seine Zähne. Die Frau wehrte sich nicht. Aber er wollte auch nicht, dass sie auf ihn reagierte. Heute brauchte er ihre Angst nicht. Er wollte jetzt nur eines: Trinken! Ihr frisches Blut tat gut! Zuerst trank er nur wenige Schlucke. Das Blut benetzte seine Zunge, lief genüsslich die Kehle hinunter und brachte seinen Nerven eine Zerreißprobe. Dann schlug er seine Zähne tiefer und trank aus vollen Zügen. Schon lange hatte er nicht mehr solche Gier gespürt. Er trank bis zum letzten Moment, der ohne Gefahr für ihn war. Es war köstlich; seine Kräfte waren zurückgekehrt! Nachdem er sich so ausgiebig gestärkt hatte, ließ er sein Opfer aus seiner Umarmung gleiten. Die andere Frau hatte alles, ohne zu zucken mit angesehen. Sie folgte ihm freiwillig. Er führte sie zu Gaston, der noch immer keine Kraft gefunden hatte aufzustehen. Der Spanier stieß die Frau zu ihm hinunter. Direkt in Gastons Arme. Gierig schlugen sich seine Zähne in den weichen Hals. Auch er kostete, wie Eugeñio zuvor, jeden Augenblick aus. Eugeñio konnte sehen, wie Gaston wieder an Kraft gewann. Dann, sich das Blut von den Lippen leckend, fragte er:
    „Wann hast du sie geholt?“
    Eugeñio schüttelte den Kopf.
    „Ich wundere mich, dass du ihre Anwesenheit nicht gespürt hast.“ sagte er nur und ein gefälliges Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
    „Muss wohl satt gewesen sein.“
    Dann schlich sich Erstaunen in seine Züge. Eugeñio ahnte, dass sein Erstaunen nicht seiner eigenen Unzulänglichkeit, sondern viel eher dem zuvor Erlebten galt. Er hatte als Eugeñios Überwacher, als sein starker Helfer, zwar weder Julie sehen, noch ein Wort ihrer Unterhaltung hören können, aber er wusste auf welch weit entfernten Ebenen diese Unterhaltung stattgefunden hatte. Er hatte die Gefühle, die Eugeñio in dieser Ebene erlebt hatte, am eigenen Leibe gespürt. Er hatte die Anstrengungen erfahren und dann … Freude und Liebe! Gaston hatte ihm bisher nicht wirklich geglaubt. Jetzt hatte er den Beweis dafür. Er fragte sich, ob er den Spanier vielleicht gerade deshalb jetzt für verrückt halten sollte. Oder sollte er Neid empfinden? Eugeñios Gefühle hatten sein schwarzes Blut in Wallungen gebracht. Sie verursachten Schmerzen. Sie brannten in ihm. Eugeñio wusste das. Aber Gaston wollte sich nicht verraten. Er schwieg. Bis er sich, nach

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