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Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Meyer
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schwitzte. Ihr war kalt. Sie fühlte sich zerschlagen und noch immer versuchte sie ins Hier und Jetzt zurückzukommen. Dann erst spürte sie, dass sie zitterte. Karon hatte so gezittert, als er die Schüttelkrankheit gehabt hatte. Aber da hatte er hohes Fieber gehabt. Sie hatte kein Fieber. Ihre Haut war eiskalt. So kalt, als wenn sie stundenlang in einem Kühlschrank verbracht hätte. Mit zitternden und klammen Fingern zog sie ihre Decke hoch bis unters Kinn. Aber auch das machte sie nicht wirklich warm. Was war denn nur los mit ihr? Hier in der Hütte war es nicht kalt. Jedenfalls war es das nicht gewesen, als sie sich schlafen gelegt hatte. Und jetzt? Langsam kehrte ihr Traum in ihre Gedanken zurück. Was hatte es mit diesem Traum auf sich? War dieser Traum schuld an ihrem jetzigen Zustand? Aber sie fühlte sich so schwach, dass sie nicht einmal in der Lage war, subjektiv über diesen seltsamen Traum nachzudenken. Obwohl sie sich in die dicke Daunendecke gewickelt hatte, schlotterte sie noch immer wie Espenlaub. Ihre Zähne schlugen übereinander. Vermutlich war das Geräusch, das sie dabei verursachten so laut, dass selbst Simonja, die neben ihr lag, davon wach wurde. Verschlafen drehte sie sich um. Dann sah sie Julie an und sprang auf.
    „Julie, was ist mit dir?“ rief sie.
    Sie legte ihr eine Hand auf die Stirn, vermutlich dachte auch sie, dass Julie Fieber hatte. Sie war so warm, diese kleine Hand!
    „Julie? Kannst du mich überhaupt verstehen?“
    Jetzt war Simonja ganz die besorgte Freundin. Julie versuchte zu lächeln, sie zu beruhigen.
    „Heilige Morsena! Bist du kalt! Warte einen Moment, ich bin gleich zurück. Ich werde dir ein heißes Getränk besorgen. Das wird dir helfen!“ rief Simonja und hatte auch schon die Hütte verlassen. Julie sah ihr hinterher; es tat ihr leid, dass sie es jetzt war, die ihrer Freundin neue Sorgen bereitete. Jetzt, wo sie wieder allein war, versuchte sie wenigstens das Klappern abzustellen. Es wollte einfach nicht gelingen! Es dauerte keine zehn Minuten, da kam Simonja zurück. Doch sie brachte nicht nur ein warmes Getränk mit. In ihrer Begleitung waren auch noch TsiTsi, Dervit und Karsina. Oh Gott, warum nur hatte sie die anderen nicht schlafen lassen? Julie hatte ja geahnt, dass Simonja TsiTsi wecken würde, aber Karsina? Die Gelbländerin kniete sich jetzt zu ihr und reichte ihr einen Becher mit dampfender Flüssigkeit. Julie versuchte wenigstens so lange sie trank das Klappern ihrer Zähne zu unterdrücken. Diesmal gelang es wenigstens etwas. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass ein Teil, der wirklich gut schmeckenden Flüssigkeit ihre Decke beschmutzte.
    „Es ist, als wenn diese Reise verflucht ist!“ sagte TsiTsi.
    Von all dem Trubel waren mittlerweile auch die beiden Männer wach geworden.
    „Ist Julie krank?“ fragte Kai besorgt.
    Karsina schüttelte den Kopf.
    „Ich weiß es zwar nicht genau, aber ich glaube nicht, dass sie krank ist. Bisher ist ihr nur kalt. Aber schau, du wirst schon wieder etwas wärmer. Geht es dir auch schon wieder besser?“ fragte sie jetzt. Sie streichelte Julie liebevoll über den Kopf. Aber das Einzige, dass Julie spürte, war die Hitze, die davon ausging. Und noch etwas anderen spürte sie.
    „Ist es möglich, dass ich etwas zum Essen bekomme? Ich glaube, ich bin am verhungern.“
    Karsina stand auf und verließ die Hütte. Statt ihrer kniete jetzt Bernhard bei ihr.
    „Was ist nur mit dir, Kind?“
    Julie blickte ihn an. Sie sah, dass er sich wirklich Sorgen machte. Jetzt kam er ihr vor wie ein Vater, der vor dem Bett seines kranken Kindes stand.
    „Wenn ich das nur wüsste!“ gab Julie kleinlaut zurück. „Ich ... ich hatte geschlafen. Ich hatte einen so wunderbaren, aber doch so eigenartigen Traum. Als ich aufgewacht bin, war mir so kalt. Ich habe noch nie so gefroren! Und ich hatte noch nie solchen großen Hunger. Ich verstehe das nicht. Es ist, als hätte ich seit Tagen nichts mehr gegessen, dabei war ich doch vorhin bis unter die Hutkrempe vollgestopft.“ Julie grinste. Sie versuchte der Situation etwas von ihrer Tragik zu nehmen. Sie wollte die anderen beruhigen. Aber irgendwie schien sie genau das Gegenteil zu erreichen.
    „Es wird sicher gleich wieder besser. Versprochen!“ sagte sie noch und drückte Bernhards Hand. Doch plötzlich bahnten sich heiße Tränen einen Weg aus ihren Augen. Sie schluchzte laut, konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen. Bernhard begann ihren Rücken zu massieren, was Julie an

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