Herr der zwei Welten
sein.
„Ich hörte, du hattest geträumt und du willst mir deinen Traum erzählen?“
Dabals Stimme klang noch immer sehr warm und beruhigend. Julie nickte.
„Ja.“
„Gut, mein Kind. Wenn du mir von deinem Traum erzählst, dann möchte ich, dass du auch über deine Gefühle sprichst. Erzähle mir, was du empfunden hast, während du träumtest und danach, als du erwacht bist. Willst du das tun? Ich werde dir nur zuhören. Nichts anderes. – Vielleicht bin ich danach in der Lage, dir deinen Traum zu erklären. Vielleicht kann ich dir dann auch den Grund für deine Schwäche, von der Karsina berichtet hat, erklären. – Ich kann dir nichts versprechen. Ich hatte noch nie etwas mit Menschen, wie dir zu tun. Vielleicht ist es bei euch anders. Ihr seid die ersten Menschen, die von der anderen Welt zu uns gekommen sind. Willst du mir nun dennoch erzählen?“
Julie nickte. Dabals Ausstrahlung wirkte so beruhigend, so vertrauensvoll, dass Julie ihm alles erzählen wollte, auch wenn er ihr danach nichts anderes sagen konnte, als das, was sie wusste! Während sie nun ihren Traum zum zweiten Mal erzählte, beobachtete sie Dabal. Im Stillen gab sie jetzt diesen alten indianischen Überlieferungen recht; je intensiver sie dieses Wesen betrachtete, je sicherer war sie sich, dass an ihnen nichts Beängstigendes oder gar Lachhaftes war. Im Gegenteil, irgendwie erschien gerade Dabal ihr als vollkommen! Es fiel Julie nicht schwer, zu ihm von ihren Gefühlen zu sprechen. Sie erzählte alles, alles außer dem Einen! Dabal hörte die ganze Zeit über geduldig zu. Er unterbrach sie nicht ein einziges Mal. Er streichelte ihr ab und an über den Handrücken, so wie es vielleicht eine Mutter tun würde, um ihr Kind zu beruhigen. Ein paar Mal nickte er, ansonsten war er schweigsam. Endlich war Julie am Ende angekommen. Dabals Gesichtsausdruck wirkte sehr nachdenklich. Er brauchte eine Weile, ehe er dann sagte:
„Du hast etwas sehr Seltenes erlebt. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, du hast eine Reise des Geistes unternommen. – Dein Freund muss über starke innere Kräfte verfügen. Es gibt alte Geschichten, demzufolge es bei uns auch schon Derartiges gegeben hat. – Aber das ist längst Vergangenheit! –Damals waren es Seher und Magier, die solche Dinge wussten. Dieses Wissen ist uns leider schon vor sehr langer Zeit abhandengekommen. Was davon blieb, sind die alten Überlieferungen. Niemand hier weiß mehr, wie man derartige Reisen unternimmt. Seltsam, wir wussten eigentlich nicht mal, ob wir unseren Überlieferungen Glauben schenken dürfen. Bis jetzt! Aber auch für dich ist dies etwas gänzlich Neues. Habe ich recht?“
Julie nickte. Sie war viel zu perplex, um eine richtige Antwort zu geben.
Schließlich stotterte sie los:
„Aber wie, wie ist das möglich? Du meinst also wirklich, Eugeñio hat meinen Geist an einen anderen Ort geholt? Diese Unterhaltung, dieses Treffen, es hat dann wirklich stattgefunden? Aber wie …?“
Dabal hielt Julies Hand und gab ihr dadurch das Gefühl von Wirklichkeit. Sie hatte das Gefühl, dass sie ohne diese Berührung, sich einfach auflösen würde. Statt einer Antwort gab Dabal einen Ton von sich, der an das Brummen eines Bären erinnerte. Dann sagte er:
„Ja, so ist es. Ich kann dir nicht sagen, wo das stattgefunden hat. Aber ich denke, diese Unterhaltung war real. Auf einer anderen Ebene.“ Dabals Blick, der zuvor selbst in einer anderen Ebene zu sein schien, kehrte zu Julie zurück.
„Du sagtest, er hat dich gedrängt, seine Fragen zu beantworten? Dann sucht er dich! Und er hat einen Weg gefunden, dich in die Welt des Geistes zu holen. Wahrscheinlich war euer Treffen auch deshalb nur von kurzer Dauer. Es wird zu anstrengend gewesen sein euch beide in dieser Ebene länger zu halten. Dies war dann auch der Grund für deine Schwäche. Dein Körper befand sich zwar hier, aber dein Geist hat eine lange Reise getan. Deshalb war dein Körper danach so geschwächt und dein Hunger so groß. Dein Körper verlangte danach, die verbrauchte Energie zurück zu bekommen.“
Julie betrachtete noch immer Dabals Gesicht. Wirkte er gerade noch ruhig und überlegen, sendeten seine Augen plötzlich Fragezeichen. Julie hielt den Atem an, sie wagte nicht zu fragen, über was Dabal nun grübelte. Doch nach einigen Augenblicken schien er zu einem Entschluss gekommen zu sein.
„Dein Freund, Eugeñio, ist er ein Mensch? Ist er so wie du?“
Die Frage kam so einfach über seine Lippen, und
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