Herr der zwei Welten
Merlock um. Der Merlock ist sehr grausam Julie. Wen der Merlock erwischt, der wird von ihm getötet. Es gibt kein Entrinnen. Niemand kann ihm Einhalt gebieten.“ Sie schüttelte ihre lange Mähne und sah Julie ernst an.
„Der Merlock? Was ist das?“ Julie war erschrocken.
Ihre Freundin überlegte.
„Ich weiß nicht, wie ich ihn dir beschreiben soll. Ich dachte, ihr hättet vielleicht auch so etwas in eurer Welt. – Du musst dir den Merlock als sehr starken Wind vorstellen. Aber dieser Wind ist nicht so wie die anderen. Dieser Wind hat einen Geist. Er kann denken! – Jedenfalls glaubt mein Volk das. Er ist auch nicht so weitflächig, wie ein normaler Wind. Er ist eher wie ein mächtiger, dicker Schlauch. – Verstehst du, was ich meine? Ich weiß nicht, es ist schwer den Merlock zu beschreiben. - Stehst du ihm im Weg, nimmt er dich auf seine weite Reise einfach mit. Irgendwo lässt er dich dann fallen. Aber, ich weiß, was du jetzt denkst. Du denkst an die Gallert-Schlange. Aber so ist der Merlock nicht. Wenn der Merlock dich fallen lässt, bist du längst mit Eis bedeckt und steif gefroren. Du bist tot! Für die Opfer des Merlocks gibt’s keine Hilfe. Auch wenn man manchmal das Opfer wieder findet, ist es tot.“
„Aber …“ stammelte Julie. Sie war erschrocken, ängstlich, aber auch irritiert. „Wenn der Merlock ein starker Sturm ist, dann kann man sich doch in Sicherheit bringen. Man bleibt dann eben in den Höhlen. Dann kann doch nichts passieren.“
Simonja schüttelte den Kopf.
„Du hast mich nicht richtig verstanden. Julie, der Merlock kommt überraschend. Man kann ihm nicht ausweichen.“
Dervit hatte wohl die letzen Minuten der Unterhaltung mitbekommen. Jetzt fiel er Simonja ins Wort.
„Er sucht sich seine Opfer aus. Er kann denken! Er kommt in Form einer langen, schmalen Linie direkt auf dich zu. Ganz egal wo du dich aufhältst. Wenn er dich will, dann kommt er in jede Höhle! Wenn er vor dir ist, dann kannst du ihm in sein großes, gefräßiges Maul blicken. Aber dann ist es zu spät!“
Simonja legte den Arm tröstend um Julies Hüfte. „Aber wir haben höchsten zwei Opfer zu jeder kalten Zeit zu beklagen.“
Jetzt fuhr Julie richtig zusammen.
„Was? Zwei? Du meinst …?“
Aber ihre Freundin zuckte nur mit den Schultern.
„Wir haben uns damit abgefunden. Es war schon immer so. – Der Merlock kommt nicht oft, Julie. Ich habe ihn zum Beispiel erst ein einziges Mal erlebt. Du wirst das schon verstehen. In eurer Welt gibt es doch sicherlich auch Dinge, die ebenso sind, wie sie sind. Oder sterben bei euch die Menschen nur an Alter und Krankheit?“
Julie schluckte. Nein bestimmt nicht! Ihre eigenen Eltern hatte sie ja so verloren! Sie blickte sich Hilfe suchend nach Eugeñio um. Aber er war nirgends zu sehen. Natürlich hatte ihre Freundin recht, aber dennoch wusste Julie nicht, was sie nun antworten sollte.
„Ja, das stimmt. Aber trotzdem … ich habe Angst!“
Sie fühlte, wie sich die kleine Hand ihrer Freundin in ihre schob und diese Geste beruhigte sie etwas. Dennoch konnte sie die Gelassenheit, mit der die Blauländer diesem Merlock entgegenblickten nicht verstehen. Hier, wo sich die Menschen gegenseitig so viel bedeuteten, konnte man doch etwas, dass einem seine Freunde oder Familienangehörige nehmen wollte, nicht einfach akzeptieren! Man sollte doch eine Heidenangst davor entwickeln. Oder etwa nicht? Aber die Blauländer blickten diesem Merlock ruhig entgegen. Schon die Beschreibung allein reichte, um Julie die Knie schlottern zu lassen. Jetzt endlich wusste sie genau, weshalb sie die Kälte nicht mochte. Nicht einmal, wenn sie nur wenige Tage anhielt! Am liebsten hätte sie schon jetzt geschrien und wäre geflüchtet. Aber anscheinend war Flucht keine Option!
Ihr Herz schlug ihr noch immer bis zum Hals, als sie eine vertraute Berührung spürte. Eugeñio stand hinter ihr. Sie fiel ihm um den Hals und küsste ihn auf den Mund. Er zog sie fest an sich und streichelte ihren Rücken.
„Ich bin doch hier.“ flüsterte er ihr ins Ohr. „Kein Grund Angst zu haben. Oder hast du kein Vertrauen mehr!?“
Julie nickte. Der Klang seiner Stimme und die Kraft seiner Umarmung genügten, um sie zu beruhigen.
*
W enige Stunden später lagen beide eng umschlungen in ihrer eigenen Höhle. Sie waren allein. Julie hatte die Höhle gemütlich, mit sehr viel Liebe, eingerichtet. Überall lagen kuschelige Decken, die sie bunt gefärbt hatte. Die Wände waren mit Pflanzen
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