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Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Meyer
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diesem Morgen herrschten, standzuhalten, und rannte wieder los. Eugeñio lief neben ihr, und als sie schon nach wenigen Metern ins Rutschen kam, nahm er sie an die Hand. Jetzt, da sie den nötigen Halt hatte, flogen sie beide nur so über den Schnee. Kurz, ehe sie TsiTsis Höhle erreicht hatten, dachte Julie plötzlich an den Merlock. Dieser Gedanke kam völlig unbeabsichtigt und er überraschte sie selbst. Warum nur dachte sie ausgerechnet jetzt, wo doch ihre ganze Neugierde, ihre ganze Freude dem Baby galt, an diesen seltsamen Sturm? Verwirrt schloss sie die Augen. Gut, dass sie Eugeñios Hand hielt, denn so konnte sie die Führung ganz ihm überlassen. Dieser Gedanke machte ihre solche Angst! Der Gedanke an den Merlock fühlte sich an wie eine grausame Vorahnung! Sie versuchte den Gedanken wegzuschieben, aber die Angst hatte sich bereits in ihren Eingeweiden breitgemacht. Die ganze Zeit über liefen ihre Beine automatisch weiter. Dann fühlte sie, wie Eugeñio in ihren Geist eindrang. Sie hatte sich dies zwar verboten und er hatte bisher keinen Versuch gemacht nochmals ihre Gedanken zu lesen, doch nun war sie froh, als sie seinen Geist spürte. Wenn er sie doch nur beruhigen könnte! Sie wollte auf keinen Fall so besorgt zu TsiTsi gehen! Eugeñio blieb stehen, drehte sich zu ihr und zwang sie in seine Arme.
    „Keine Angst! Beruhige dich. Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas geschieht. Das weißt du doch, oder?“ Er küsste sie auf die Stirn. „Na komm.“
    Nachdem sie die wenigen Meter zur Höhle hinter sich gebracht hatten, konnten sie schon Dervit sehen, wie er unruhig vor der Höhle auf und ab lief. Als er sie sah, kam er ihnen gleich aufgebracht entgegen.
    „Meine Gefährtin bringt gerade unseren kleinen Neuankömmling ins Licht!“ rief er ihnen entgegen. „Ist das nicht herrlich? – Oh ich bin so aufgeregt!“
    Dervit sprang doch tatsächlich wieder mal von einem Bein aufs andere. Wieder wurde Julie an Rumpelstilzchen erinnert und wieder musste sie sich ein lautes Lachen verkneifen. Jetzt erst bemerkte sie Karon, der ebenfalls wartend vor der Höhle stand. Er hatte seine kleinen Hände vor der Brust gefaltet und beobachtete seinen nervösen Vater äußerst skeptisch. Er wirkte beinahe wie ein Priester, wie er so dastand. Julie grinste ein zweites Mal. Karon winkte ihnen lächelnd. Vermutlich war er froh, seinen Vater nun nicht mehr alleine beruhigen zu müssen. Julie suchte nach Thela. Seltsam, sie war gar nicht hier!
    „Geh rein Julie.“ brach es aus Dervit hervor. Er schob sie zur Höhle. Eugeñio blieb draußen bei ihm und Karon.
    Die Höhle war abgedunkelt. Bei den heutigen Lichtverhältnissen hätte man sich das sparen können, dachte Julie. TsiTsis Gesicht war schmerzverzerrt, trotzdem hieß sie Julie willkommen. Thela war auch hier. Sie kniete bei ihrer Mutter und strich ihr immer wieder über die Stirn. Die Wehen waren schon stark, stellte Julie fest. Sie sah den Heiler an, wollte wissen, wie es stand. Doch der würdigte sie keines Blickes. Er konzentrierte sich nur auf die werdende Mutter. Doch zwischen seinen geübten Handgriffen sagte er:
    „Es wird nicht mehr lange dauern. Es ist der erste Tag der Kalten Zeit, aber ich werde tun, was ich kann.“
    Julie zog kurz die Augenbrauen hoch. Es war eine merkwürdige Aussage. Was meinte er damit? Doch zu weiteren Erklärungen ließ der Heiler sich nicht herab. Als Julie neben TsiTsi kniete, war der Größenunterschied verschwunden. Julie nahm einfach ihre verkrampften Hände und streichelte sanft deren Handrücken.
    „Du schaffst das!“ tröstete sie sanft. Immer wieder sprach sie auf TsiTsi ein, wenn diese sich unter den Wehen verkrampfte. Der Heiler war nun etwas beiseitegetreten und hantierte mit verschiedenen Schüsseln und Pflanzensäften, als TsiTsi jäh einen durchdringenden Schrei ausstieß. Sofort kniete der Heiler wieder bei ihr. Julie kam sich überflüssig vor. Doch solange TsiTsi ihre Hand drückte, wollte sie nicht gehen. Thela saß auf der anderen Seite von TsiTsi und streichelte nun ihren Rücken. Auf einmal ging alles ganz schnell. TsiTsi presste ein paar Mal und dann war das Kleine da!
    Julie atmete auf. Sie war genauso schweißgebadet wie TsiTsi selbst. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dieses kleine, zauberhafte, blaue Baby mit entbunden zu haben. TsiTsi zitterte und Julie wischte ihr lächelnd den Schweiß von der Stirn. Der Heiler hielt ihr das Kind hin. Es öffnete seine Augen. Kleine, runde Knopfaugen. Oh Gott, war es

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