Herr der zwei Welten
Vater noch nie gesehen. Aber das lag vermutlich daran, dass sie sich ja auch nie in einer ähnlichen Situation befunden hatten. Deshalb fasste Kai sich auch schnell wieder, zuckte mit den Achseln und erklärte unbekümmert weiter:
„Ich weiß es natürlich auch nicht so genau Dad, aber sieh dich doch mal um. Vielleicht hat die Science-Fiction doch recht.“
Pieter machte den Mund auf, aber er sagte nichts. Was sollte er jetzt auch entgegnen? Wenn er sich hier wirklich umsah, und das hatte er getan, wenn er daran dachte, was er vor der Öffnung, hinter einem Vorhang aus Staubfäden gefunden hatte, dann hatte sein Sohn vermutlich sogar recht. Aber er wollte nicht, dass er recht hatte! Wollte es absolut nicht!
„Ich finde das nicht lustig.“ sagte er deshalb nur. Aber seine Stimme klang still und monoton. Selbst in seinen eigenen Ohren.
*
Kai verstand sich selbst nicht mehr. Hier saßen sie nun. Inmitten dieses Raumes auf dem Fußboden. In einer fremden, fast traumhaften Umgebung. Sie wussten nicht, wie sie hier hergelangt waren, noch warum sie hier waren. Nein, keiner konnte sich auch nur vorstellen, was das alles bedeuten mochte. Und doch hatte sich in ihm ein Gefühl, das man wohl schlechtweg als Euphorie bezeichnen musste, festgesetzt. Er sah den anderen in die Gesichter. In jedem war Angst zu lesen. Weshalb fühlte er also keine? Er fühlte sich eher, wie in einem Abenteuer, als dass er daran glaubte, in Gefahr zu sein. Hatte sein Vater also doch recht, wenn er sagte, Kais Science- Fiction Literatur habe ihm das Hirn verblödet? Trotzdem musste er grinsen. Zwar würde niemand das lustig finden oder auch nur verstehen, aber ihm half es jetzt, nicht den Verstand zu verlieren. Er blickte zu seinem Vater. Er, genau wie die anderen, schienen in ein stumpfes Warten übergegangen zu sein. Kai hatte plötzlich das Gefühl, ganz auf sich allein gestellt zu sein. War er wirklich der Einzige, der sich über das Wie und Warum noch Gedanken machte? Er sah sich um. Dieser seltsame Raum hatte seine Form nicht wieder verändert. Es war immer noch hell in der Höhle, wie Kai diesen Raum jetzt bezeichnete. Zwar sahen die Höhlen, die er zuhause besucht hatte, anders aus, trotzdem hatte der Raum hier mehr Ähnlichkeit mit einer Höhle, als mit einem Zimmer in einem Gebäude. Sein Vater hatte ihnen von dem gelben Himmel draußen berichtet. Gelb war das Licht hier drinnen nicht. Aber dennoch von einer grellen Intensivität, dass einem eigentlich die Augen schmerzen sollten. Es wunderte ihn, dass dem eben nicht so war. Auch die Luft war noch immer erfüllt, von diesem schweren, sinnlichen Blütenduft. Allerdings war keine Vanille mehr zu erkennen. Diesen Geruch gab es nicht mehr; wenn sie sich ihn nicht sowieso nur eingebildet hatten. Sein Vater hatte jedenfalls nicht gesagt, dass er Vanille draußen gesehen hatte. Aber wer sagte, dass hier etwas dass nach Vanille roch, auch so aussehen musste? Vielleicht hatten sich also ihre Nasen nur schon daran gewöhnt. In der Höhle war es unnatürlich still. Das einzige Geräusch, das die Stille unterbrach, war ein monotones Tropfen, das von außen herein drang. Doch auch dieser Ton wurde von den kneteähnlichen Wänden sicher gedämpft. Kais Vater hatte erklärt, woher dieses Geräusch kam. Vor dem Eingang der Höhle standen merkwürdige Pflanzen. Sie trugen dicke, lange Blüten, in einer intensiven blauen Farbe. Unaufhörlich tropfte aus ihnen der Blütensaft. Wie aus einem Wasserhahn, hatte Kais Vater gesagt. Niemand sonst war bisher aus der Höhle getreten. Sein Vater hatte es verboten. Er sagte, dass dieser Prozess, der sie hier hergebracht hatte, sie vielleicht auch wieder zurückbringen würde. Deshalb sagte er, sollten sie alle zusammenbleiben. Kai glaubte nicht daran, dass das so schnell geschehen würde. Wenn überhaupt! Er würde zu gern selber sehen, was da draußen war. Wie es aussah, waren sie die einzigen Lebewesen hier. Also keine Bedrohung in Sicht! Langsam schienen aber auch die anderen etwas von ihrer Stärke zurückzuerobern. Jedenfalls führten sie sich wieder wie vernünftige Menschen auf. Nur der Handwerker brütete noch immer still vor sich hin.
„Wir sollten versuchen die Vorgänge zu rekonstruieren. Ich meine, was ist vorher passiert?- Bevor wir hier gelandet sind? Kann sich jemand erinnern?“ fragte Pieter gerade.
Kai nickte zustimmend. So kannte er seinen Vater. Endlich war wenigstens er wieder der Alte. Kai war erleichtert.
„Du hast recht Dad. Nur so
Weitere Kostenlose Bücher