Herr der zwei Welten
in ihre Arme gezogen und streichelte jetzt sanft und beruhigend ihren Rücken.
„Was meinen Sie? Haben sie so etwas vielleicht schon einmal erlebt? Sie müssen es uns sagen, wenn es so ist. Bitte.“
Julie spürte, wie sie von Liz gewiegt wurde, als wäre sie ein kleines Kind. Aber es tat gut, einem anderen Menschen jetzt so nah zu sein. Julie beruhigte sich tatsächlich wieder.
Doch was sollte sie sagen? Sie konnte jetzt wohl kaum auch noch von Vampiren erzählen, die es in ihrer wirklichen Welt wirklich gab! Nein, das Eine hatte mit dem Andern überhaupt nichts zu tun! Außerdem konnte sie Eugeñios Geheimnis nicht bei der ersten Gelegenheit einfach so preisgeben. Nein, das wollte sie auch nicht. So schüttelte sie nur den Kopf.
„Nein, ich weiß nicht, was hier los ist. Es ist nur … ich habe Angst.“
Sie spürte wieder die Arme von Liz, die sie an ihre Brust zogen und wie zuvor, war es menschliche Wärme, die von dieser Berührung ausging. Dann hörte sie wieder die Stimme der Frau.
Liz sagte: „ Wer? Erzählen sie uns einfach, an was sie gerade denken. Das wird helfen. Wir werden zuhören. OK?“
Julie hatte aufgehört zu weinen. Sie blickte der schönen Mulattin in die Augen. Ihr Blick war so warm, so mütterlich und aufmunternd.
„Ist dieser Eugeñio ihr Freund? Erzählen sie uns von ihm. Das wird die Spannung vertreiben. Vielleicht sollten wir dann alle etwas von uns erzählen? Viel mehr können wir jetzt sowieso nicht tun.“
Julie erschrak. Eugeñio? Sie konnte sich nicht erinnern, seine Namen gesagt zu haben.
„Sie haben nach ihm gerufen, Kind. Das ist normal, wenn man Angst hat. Was glauben sie, nach wem sie alles rufen werden, wenn sie ihr erstes Kind bekommen?“
Julie blickte verdattert auf. Aber jetzt musste sie doch lachen. Sie war aber auch froh, doch nicht zu viel verraten zu haben.
Na gut, Liz hatte recht. Es würde die Spannung in ihr etwas erträglicher machen, wenn sie von dem Mann sprach, den sie liebte. Und vielleicht würde es auch den anderen tatsächlich gut tun, etwas anderes zu hören, als nur das, dass jeder hier Angst hatte.
Also begann sie ihre Liebesgeschichte zu erzählen. Nicht die ganze Wahrheit, nein, das würde sie niemanden jemals erzählen. Aber dennoch war es eine schöne und traurige Liebesgeschichte und die anderen hörten schweigend zu. Es tat ihr wirklich gut, laut an Eugeñio denken zu können. Sie wusste noch nicht, wie sie seinen Abschied erklären würde. Aber das würde sich ergeben. Aus der Geschichte.
„Ja, ich vermisse ihn schrecklich. Gerade jetzt. Also gut, vielleicht ist es wirklich besser, als ewig über unsere Situation nachzudenken. – Wenn es also nicht zu langweilig wird …“
Julie schnippte sich eine Locke aus dem Gesicht, die immer wieder widerspenstig in ihre alte ungewollte Position zurückrollte. Dann begann sie zu erzählen.
Sie hörte Kai neben sich murmeln:
„Ist doch schon merkwürdig. Da sitzen wir hier, in der absurdesten Situation unseres Lebens und die Frauen haben keine anderen Gedanken, als ihre Liebesgeschichten zu erzählen. Schon gut Miss, natürlich werden wir ihnen zuhören. Erzählen sie ruhig.“
Julie zwang sich ein Lächeln ab. Eigentlich hatte der junge Mann doch recht, aber was sonst sollten sie tun? Sie mussten sich ablenken, wollten sie ihren Verstand nicht vollauf verlieren.
Da wurden sie plötzlich von einem Geräusch aufgeschreckt. Eigentlich war es nicht einmal das. Kein Geräusch, das man mit den Ohren hören konnte. Und dennoch … Alle konnten es wahrnehmen. Es war ein Lachen. Eines, das sie noch nie gehört hatten. Unheimlich, unnatürlich. Auf eine Art, die man kaum erklären konnte. Sie blickten sich erschrocken an. Fragend. Doch niemand kannte eine Antwort. Doch schon war das Lachen wieder verklungen. Nur noch das monotone Tropfen des Blütensaftes durchbrach die Stille.
„Was war das? Habt ihr das …?“Fragte Kai benommen.
„Hast du keine Antwort darauf, mit all deinem Science –Fiction-Kram?“
Pieter konnte es sich anscheinend nicht verkneifen, seinen Sohn damit noch einmal aufzuziehen.
„Nein“, sagte er dann aber. „Ich weiß nicht, was das war. Als ob jemand lachte. Aber es war sicher nur Einbildung. Bitte Miss Julie, erzählen sie.“
Es war sicher nicht die Art von Story die Männer gerne hörten, aber wohl besser, als sich weiterhin den Kopf über ein Geräusch zu zerbrechen, das wie ein Lachen geklungen hatte. Sie würden sonst noch mehr die Nerven verlieren, als
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