Herr der zwei Welten
finden wir einen Grund dafür. Und vielleicht auch einen Weg zurück. Du wirst schon sehen. Also los! Lasst uns darüber reden. Wem fällt dazu etwas ein?“
Jetzt hob sogar der Handwerker den Kopf. Seit dem Vorfall mit seinen Händen war es wohl das erste Mal, dass er sich regte.
„Also, ich denke nicht, dass wir etwas getan haben, dass diese Situation herbeigerufen hat. – Ist doch verrückt! – Völliger Unsinn!- Das Rauschen war das Erste, das wir bemerkt haben. Stimmt doch, oder? Davor war doch alles völlig Normal. Ist da vielleicht jemand anderer Meinung?“
Kai staunte. Bisher war er der Meinung gewesen, dieser Mann könne vor lauter Angst keinen klaren Gedanken fassen. Anscheinend hatte er sich geirrt, denn die Stimme des Handwerkers hatte ruhig geklungen. Ruhig und detailliert. Kai nickte ihm zustimmend zu. Er blickte kurz zu seiner Stiefmutter. Aber auch ihr fiel wohl nichts anderes ein. Sein Vater schien kurz zu überlegen, dann sagte er:
„Außer dass es so etwas gar nicht geben dürfte, haben sie durchaus recht.“ Er schüttelte den Kopf, dann fuhr er fort: „ Mann, wir leben schließlich im 21. Jahrhundert und nicht zu Zeiten Avalons! Die Abenteuer der Enterprise hatte ich bisher immer für reine Fiktion gehalten.“
Pieter starrte vor sich hin. Warum hatte er das jetzt gesagt? Was wollte er damit bezwecken? Er wusste es nicht. Es war eben nur so ein Satz gewesen. Aus den Gedanken gegriffen und so dahin gesagt. Nichts mehr.
Aber für Julie Neumann schien es ein Schrecken zu sein, der so tief ging, dass sie vergaß zu atmen. Sie starrte ihn an. In ihrem Gesicht lag pure Angst. Aber als sie Pieters Blick auf sich fühlte, strich sie sich verlegen eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre Stimme klang aufgebrachter, als sie es beabsichtig hatte.
„Es gibt aber Dinge, die sich nicht so einfach erklären lassen! - Ich glaube … Ich weiß nicht …“
Abrupt verstummte sie wieder. Sie wollte nicht reden. Aber ihr Schweigen schnürte ihr die Kehle zu. Sie wollte diesen verdammten Kloß aus ihrer Kehle haben. Sie schlucke heftig. Die Tränen begannen wieder ihre Wangen hinab zu laufen. Etwas in ihr explodierte.
„Hört das denn nie auf?!“ schrie sie verzweifelt und sprang auf. Sie schlang ihre Arme ganz fest um sich. Ihr war plötzlich kalt. So kalt. Liz war aufgestanden und zu ihr gekommen. Ihre dunklen Augen blickten mitfühlend. Julie hätte beinahe gelacht. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass diese Frau, oder irgendjemand hier, überhaupt verstand, was sie meinte. Oder was jetzt tief in ihr vorging.
Sie dachte an Eugeñio und seine Offenbarung, dass er ein Vampir war. Wenn es Vampire gab, warum also nicht auch fremde Welten?
Er war ein Vampir, vielleicht wusste er von dieser Welt? Konnte er wissen, wo sie sich hier befanden? Sie wünschte sich sehnlichst, ihn jetzt bei sich zu haben. Vielleicht wusste er den Ausgang. Vielleicht konnte er ihnen helfen, wieder in ihre eigene Welt zu kommen. Eugeñio hatte ihr gesagt, dass er tötete. Menschen tötete. Und doch war sie sich sicher, dass er ihr niemals etwas antun würde. Auch wenn er den Ausgang dieser Welt nicht kennen sollte, seine Anwesenheit würde helfen. Ihr würde es helfen! Sie fühlte sich so schrecklich allein. Sie wünschte sich so sehr, jetzt seine starken Arme zu fühlen und seine sanfte Stimme zu hören. Stattdessen befand sie sich hier. In einer fremden Welt mit fremden Menschen. Gut, es waren nette Menschen, trotzdem waren sie fremd. Genau wie diese ganze verfluchte Umgebung. Außerdem konnten diese Menschen weder ihr noch sich selber helfen. Verdammt noch mal, ihr würde es so viel besser gehen, wenn er jetzt hier wäre.
„Hey Kleines“, hörte sie die Stimme von Liz Priest. Sie stand vor ihr und streichelte ihre Wangen. Die Tränen flossen noch immer. Julie blickte in das Gesicht der älteren Frau, die selbst so viel Angst haben musste, und sie trotzdem versuchte zu trösten. Vielleicht sollte sie sich doch nicht wünschen, dass Eugeñio jetzt hier wäre? Denn wenn er hier wäre und keinen Ausweg aus dieser Geschichte wüsste, wessen Blut würde er dann trinken? Wen würde er töten müssen, um selbst zu überleben? Julie war sich sicher, dass er ihr niemals etwas antun würde. Aber was war mit dieser schönen, mutigen Frau? Vielleicht würde er sie dann töten müssen! Oder vielleicht sogar die Kleine? Nein, besser sie wünschte sich das nicht! Aber, verdammt noch mal, sie hatte solche Sehnsucht!
Liz hatte Julie
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