Herr der zwei Welten
fuhr er dann ernst fort:
„Na, ich weiß aber auch nicht, wie ihr hier hergekommen seid. – Natürlich nicht! - Aber seid doch froh, ihr habt doch drei Weibchen dabei. Und ihr seid auch drei Männchen. Da könnt ihr doch eure eigene Rasse züchten. Ihr braucht also gar nicht wieder fort.- Da habt ihr doch auserwähltes Glück!“
„Aber wir wollen wieder fort!“ rief nun Pieter aufgebracht.
„Ja, und wir wollen auch keine Zucht betreiben!“ rief Bernhard dazwischen. Er schaute sich schnell um, wie jemand, der gerade einen Fehler begangen hatte und hoffte niemand würde ihn erkennen.
„Jedenfalls nicht hier!“ fügte er dann noch schnell hinzu.
Jetzt war die Verblüffung an dem Zwerg. Man konnte ihm leicht ansehen, dass er die Reaktion seiner Gäste nun überhaupt nicht mehr verstehen konnte. Julie versuchte es ihm zu erklären:
„Bitte versuche doch, uns zu verstehen! Wir sind hier eben nicht zuhause. Wir sind dir wirklich dankbar, dass du so entgegenkommend zu uns bist. Aber wir haben unser Zuhause. Und wir finden unsere Welt schön, so wie sie ist. Wir haben unsere Freunde und unsere Familien dort. Verstehst du das nicht?! – Wir wissen ja nicht einmal, wie wir hier leben sollten.“
Dervit kratzte sich am Kinn. Dann nickte er.
„Nein, eigentlich verstehe ich euch wirklich nicht. Aber das mit euren Familien tut mir schon leid. – Aber ihr könnt nirgends so gut leben wie hier! Aber ich kenne euer Zuhause ja auch nicht. – Vielleicht habt ihr also doch Recht. Dann verzeiht mir bitte meine Unwissenheit!- Aber das Leben hier ist nicht schwer. Nahrung gibt es überall in Hülle und Fülle. Ein oder sogar zwei Zuhause würden sich sicher schnell finden lassen. In denen könntet ihr sicher leben. Wahrscheinlich wären wir auch bereit, in der ersten Zeit unser Zuhause mit euch zu teilen. So lange, bis ihr alles, was ihr wissen müsst, gelernt habt und auch genug seid, um euch ein eigenes Land zu suchen. Vielleicht ein Rotes? Nein, besser ein Weißes. Ja, genau! Ein Weißes wäre sicher sinnvoll. Genauso solltet ihr es tun.“
Dervit war so begeistert von seiner Idee, dass er aufgesprungen war und nun aufgeregt von einem Fuß auf den anderen hüpfte. Erst nach ein paar Minuten fiel ihm sein Verhalten auf und er setzte sich schnell wieder hin. Julie musste lachen, was ihr allerdings einen ängstlichen, strafenden Blick von Liz einbrachte. Trotzdem, die Situation war auch irgendwie komisch. Und der Zwerg sowieso! Ein weißes Land! Und dazu einen hüpfenden blauen Wicht. Kai und Pieter verkniffen sich auch ein Lachen. Nur Bernhard zeigte noch immer ein unbewegliches Gesicht. Er wirkte total unbeteiligt. Und Liz Mary hatte noch immer Angst. Sie sah ängstlich zu Dervit, beobachtete jede seiner Bewegungen mit Skepsis und dachte, dass ihr Haus in Deutschland eigentlich gar nicht mehr wichtig war. Genauso unwichtig wie Tennessee in den USA. Was wirklich zählte, war, dass sie zurück zur Erde kamen. Ganz gleich wohin! Selbst die Antarktis oder der indische Dschungel wären ihr recht gewesen. Aber wie es jetzt aussah, würden sie niemals wieder zurück in ihre Welt kommen. Ein furchtbarer Gedanke! Wieso nur sahen die anderen jetzt nicht genauso ängstlich aus, wie sie sich fühlte? Und dieser Zwerg verstand ihre Probleme nicht einmal. Er dachte nur an … Liebe und Zucht! Liz Mary war so schockiert von dem Gedanken, dass sie das Wort Zucht laut aussprach. Julie blickte sie überrascht an. Aber dann schüttelte sie nur den Kopf. Wo hatte man je etwas von Menschenzucht gehört? Es war schon eine merkwürdige Welt, in die sie da geraten waren. Dagegen war die Neuigkeit, dass es tatsächlich Vampire auf der Erde gab und sie sich ausgerechnet in einen dieser … Nein! Dieses Wort wollte Julie gar nicht erst denken! Nicht im Zusammenhang mit ihm!
Leider blieb die Frage nach dem Wie und Warum gänzlich unbeantwortet. Denn dieser blaue Zwerg konnte sich anscheinend genauso wenig erklären, wie sie hierhergekommen waren. Also brauchten sie ihn erst gar nicht danach fragen, wieso sie hier waren. Sie waren also um keinen Deut weiter gekommen, seit sie diesen Einheimischen getroffen hatten. Julies Mut, den sie vielleicht doch ein wenig geschöpft hatte, schmolz dahin wie Eis in der Sonne. Ihr Gesicht nahm den Ausdruck einer starren Maske an, minutenlang war sie allein mit ihren Ängsten beschäftigt gewesen. Jetzt erst nahm sie die Unterhaltung, die keineswegs verstummt war, wieder wahr. Kai erkundigte sich gerade, wie
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