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Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Meyer
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mehr.“
    Wieder neigte er seinen Kopf, diesmal in die Richtung jedes Einzelnen von ihnen. Danach, als er jedem einmal zugenickt hatte, blieb er bewegungslos stehen. Julie hatte das Gefühl, dass er irgendetwas erwartete. Aber was? Weder Julie noch die anderen getrauten sich, auch nur zu atmen. Sie dachten, dass ein erneuter Fehler, die Beiden eher wieder zum Rückzug bewegen würde. Aber das wollten sie nicht. Sie wollten mit den Gelbländern reden! Deshalb blieben sie lieber stumm und hofften auf Dervit und Simonja. Nun trat auch Simonja bereits vor, sie stellte sich direkt vor Karmai.
    „Mein Name ist Simonja. Das hier sind Dervit und sein Sohn Karon. Unsere Freunde sind Julie, Bernhard und Kai. – Wir sind keine Fremden mehr.“ Auch sie verneigte sich. Zuerst vor Karmai, dann vor Karsina. Dabei fielen ihre langen Haare in ihr Gesicht. Es war also wirklich eine Zeremonie, dachte Julie. Eine Zeremonie, die es ihnen erlaubte, miteinander zu sprechen? Die beiden Gelbländer änderten darauf auch augenblicklich ihr Verhalten. Erschienen sie doch vorher kühl und erhaben, traten nun Mitleid und Freundlichkeit in ihre Gesichter. Karsina kniete sich zu Dervit.
    „Wir haben gesehen, was geschehen ist. Weine doch nicht, mein blauer Freund, “ sagte sie tröstend. „Deine Frau ist nicht tot. Vielleicht werden wir sie finden. Nein, sicher werden wir sie finden!“
    Um Karsinas Lippen spielte ein Lächeln, das ihrem Gesicht den Ausdruck eines Engels gab. Aber Dervit starrte sie nur an, so als hätte er kein einziges ihrer Worte verstanden. Im Gegenteil, seine Stimme klang genauso monoton wie vorhin, als er ihr endlich antwortete.
    „Warum sagst du so etwas? Du sagst, sie ist nicht tot? Weshalb nur sagst du so etwas? Du musst doch wissen, wie sehr du mich damit quälst. Du sagst, du hast gesehen, was geschehen ist. Die Schlange hat sie gefressen!“
    Tränen bahnten sich einen neuen Weg über sein Gesicht. Augenscheinlich fühlte Dervit sich von den Fremden aufgezogen und betrogen. Doch nun kniete sich Karmai zu ihm.
    „Nein.“ sagte er ruhig und seine Stimme klang so, als rede er mit einem Kind. „Karsina belügt dich nicht. – Ihr kennt keine Gallert-Schlangen? Ich habe recht, oder? Sie frisst niemanden. Sie besitzt keine Organe, um etwas zu verdauen. Sie ist so etwas wie ein Transmitter. Berührt man sie, transportiert sie einen an einen ganz anderen Ort. Manchmal sehr weit weg von dem Ort, an welchem man sich befunden hatte. Das ist dann natürlich äußerst unbequem, weil man danach erst einmal den Weg wieder finden muss. Aber diese unfreiwillige Reise bereitet keine Schmerzen. Was die Gallert-Schlange wirklich von ihren Opfern will, oder was sie wohl auch bekommt, weiß niemand zu sagen. Keines ihrer Opfer konnte das sagen. Es hat ihnen jedenfalls nie etwas gefehlt.- Wie du siehst, ist die einzige Gefahr für deine Gefährtin die Tatsache, dass sie sich nicht auskennt. Außerdem gibt es hier wohl niemanden, den sie so schnell um Hilfe bitten könnte. Du weißt, dass wir aus dem Gelben Land, mit niemandem reden dürfen, den wir zuvor nicht mindestens einmal gesehen haben. Mit Fremden dürfen wir nicht kommunizieren. Das verbietet unser Gesetz!- Aber hab keine Angst Dervit, wir werden sie finden! Du wirst sehen, es wird alles wieder gut!“
    Julie staunte. Ja, Dervit hatte es ihnen erklärt, woran ihr Fehler beim ersten Zusammentreffen gelegen hatte. Dennoch, verstehen konnte sie es erst jetzt! Julie wunderte sich über diese seltsam anmutenden Gesetzte, genauso sehr wie über eine Nebel-Schlange, die ihre Opfer nur als Gepäckstück ansah, um sie dann irgendwo abzusetzen. Karmai hatte nun seinen Arm brüderlich um Dervits Schultern gelegt. Dervits Augen hatten plötzlich ihren alten Glanz wieder. Er nickte Karmai lächelnd zu.
    „Danke! Wisst ihr, wir kamen wegen der Dsaidsa-Blüte in euer Land. Mein Sohn war sehr krank. Er wäre ohne die heilende Wirkung der Blüte gestorben.- Jetzt wollten wir nur noch nach Hause.“
    Karmai sah ihn ernst an. „Das wissen wir. Hast du vergessen, mein Freund, dass wir euch schon damals sahen? Natürlich haben wir bemerkt, wie krank dein Kind war. Er hatte hohes Fieber und war ohne Bewusstsein. Es freut uns sehr, dass die Blüte geholfen hat! Jetzt verspreche ich dir noch einmal, dass wir alles tun werden, dass du mit deiner gesamten Familie, in dein Land zu rückkehren kannst!“
    Karmai erhob sich und dann, so schnell, wie sie gekommen waren, waren beide wieder

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