Herr der zwei Welten
bitter auf. „Es ist eben doch alles ganz anders gelaufen, als wir es uns vorgestellt haben! Karriere, Ansehen, Geld … all das zählt hier nichts! Nichts von all dem, was uns wichtig war, ist hier von Bedeutung. Kein Geld, kein Termindruck. Nichts! – Stattdessen sind wir hier und kämpfen gegen Fulgris und Gallert-Schlangen. Ist doch echt irre!“
Plötzlich veränderte sich der Klang von Julies Lachen. Sie hörte selber, wie hysterisch es plötzlich klang, konnte aber nichts tun, um es abzustellen. Kai sah sie erschrocken an. Ihr Nervenkostüm war wohl doch mehr angegriffen, als sie gedacht hatte. Doch dann hörte sie auf zu lachen und begann plötzlich laut zu schluchzen. Sie wollte das doch gar nicht! Was war nur los mit ihr? Dann spürte sie, wie sie in den Arm genommen wurde.
„Weine doch nicht, Julie“ sagte Kai zärtlich. „Wir werden es schaffen. Du wirst sehen, wir bekommen alles wieder unter Kontrolle!“
Julie lehnte sich kurz an ihn, wie ein Kind, das den Trost eines Erwachsenen braucht. Doch dann richtete sie sich schnell wieder auf. Sie sah Kai an. „Ich weiß!“
Julies Blick folgte dem von Kai. Nicht weit von ihnen stand Bernhard. Er hatte sie wohl die ganze Zeit schon beobachtet. Bernhard tat ihr leid. Sie wusste, dass zwischen ihm und Kai etwas lief. Aber sie wusste auch, dass es für Kai etwas anderes war, als für Bernhard. Bernhard schien Kai wirklich zu lieben. Wusste Kai überhaupt, was er dem älteren Mann damit antat? Sie, Julie, würde ihn niemals lieben können! Sie wusste es, auch wenn es eine kurze Zeit gegeben hatte, in der sie sich zumindest gewünscht hätte, ihre Gefühle wären andere. Verlegen lächelte Julie Bernhard zu, ehe sie sich erhob und die beiden allein ließ. Sie hörte noch, wie Kai sagte:
„Na, eifersüchtig? Aber keine Angst, sie will nichts von mir. Pah! – Sie träumt noch immer von ihrem tollen Lover. Die Tatsache, dass sie ihn niemals wieder sehen wird, scheint sie wohl einfach zu ignorieren!“
Julie drehte sich zu den Beiden um. Am liebsten hätte sie Kai gelyncht, für das was er Bernhard da an den Kopf geknallt hatte. Aber dann sah sie, wie Kai nach Bernhards Hand griff.
„Entschuldigung!“ hauchte er. Leise sagte Bernhard jetzt: „Ja, sie liebt diesen Mann. Ein Gefühl, das du vielleicht niemals kennenlernen wirst. – Ich weiß, wie schwer es für dich ist, hier zu leben. Entschuldige also bitte. Du kannst ja nichts dafür. Lass uns jetzt versuchen zu schlafen, Kleiner. Morgen wird es sicher noch mal ein anstrengender Tag.“
Julie hatte genug gehört. Bernhard tat ihr so leid. Aber auch für Kai war es sicher nicht einfach. Er war in dem Alter, in welchem man seine erste Liebe fand und hier war sie, Julie, die einzige Frau. Sie hoffte so sehr, dass Kai trotzdem mit Bernhard glücklich werden würde, auch wenn er zuhause niemals schwul gewesen wäre. Doch nun merkte auch sie, wie müde sie eigentlich war. Die Zeit der Monde dauerte sicherlich nicht mehr lange und dann mussten sie aufbrechen, um TsiTsi zu suchen. Kaum dass sie sich hingelegt hatte, schlief sie fest und tief. Erst als die Sonne im Begriff war die Nacht zu vertreiben, erwachte sie aus einem traumlosen Schlaf. Sie versuchte sich zu recken, ihre Glieder schmerzten. Karon hatte in den paar Stunden ihre Beine als Kopfkissen benutzt und nun waren sie eingeschlafen. Das Kribbeln war äußerst unangenehm, als das Blut langsam wieder zu zirkulieren begann.
„Oh!“ stöhnte sie auf. „Ich bin ganz steif. Karon, Schatz komm hoch.“
Sie rieb ihre eingeschlafenen Beine und schaffte es endlich aufzustehen. Sie musste aussehen, als wäre sie eine alte Frau, dachte Julie. Simonja wartete schon auf sie. Zusammen wollten sie schnell noch ein paar Beeren sammeln, die als Proviant dienen sollten. Karon half tatkräftig. Sein geringes Gewicht sorgte dafür, dass sie auch Früchte ernten konnten, die so hoch hingen, dass sie sie normalerweise nicht erreicht hätten. Die Männer brachen in der Zwischenzeit das Lager ab und verstauten die wenigen Habseligkeiten, die sie mitgebracht hatten. Die Sonne stand erst kurze Zeit wärmend am Himmel, als sie sich auf den Weg machten. Diesmal allerdings in unbekannter Richtung. Denn wer sollte schon wissen, wo die Gallert-Schlange sich von TsiTsi getrennt hatte? Bernhard, der als Junge von seinen Eltern zu den Pfandfindern gesteckt worden war, konnte nun das dort Gelernte testen. Er half Dervit nach Spuren zu suchen. Doch das stellte sich schwieriger
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