Herr der zwei Welten
nicht einmal allein war. Diesmal befanden sich noch drei andere männliche Gelbländer in seiner Begleitung. Verdutzt betrachtete Julie die Fremden, aber die Drei drehten, kaum dass sie Aufmerksamkeit erlangt hatten, schon wieder ab und verschwanden hinter einem Meer aus Blättern. Doch das war nicht die einzige Merkwürdigkeit, deren Julie gewahr wurde. Die Gelbländer waren diesmal nicht zu Fuß gekommen, sondern sie ritten auf Tieren, die wirklich große Ähnlichkeit mit Pferden aufwiesen. Nicht einmal die hatte Julie bemerkt! Wie müde musste sie sein?! Die Tiere waren kleiner und auch zierlicher als Vollblüter, aber zumindest größer als die Ponys, die sie kannte. Den Hals graziös geschwungen, die Läufe zierlich und ungewöhnlich lang, blickten sie aus großen, runden und pechschwarzen Augen auf Julie und ihre Begleiter. Es war Intelligenz in diesem Blick. Abschätzend und neugierig! Doch ihr Schweif bestand nicht aus vielen langen Haaren, wie bei Pferden, sondern war eher wie der einer Kuh beschaffen; dünn und mit einer seidigen Quaste am Ende. Wie bei den Einhörnern, von denen Tina ihr immer vorgelesen hatte, als sie noch Kinder waren. Julie huschte ein seliges Lächeln übers Gesicht. Jetzt erst neigte Karmai seinen Kopf um sie zu begrüßen. Es war, als wollte er ihnen Zeit geben, seine Reittiere zu bewundern. Aber wer sollte das schon so genau wissen, dachte Julie. Schließlich hatten die Gelbländer gewiss mehr als nur eine merkwürdige Sitte!
„Seid gegrüßt meine Freunde! Ich freue mich, euch alle wohlbehalten wiederzusehen.“ Er besah sich jeden Einzelnen eine ganze Zeit lang und in seinen stolzen Blick trat Mitleid. „Obwohl ihr den denkbar schlechtesten Weg gewählt habt, um nach eurer Gefährtin zu suchen.“ fügte er dann hinzu. Ein Grinsen konnte er sich aber dennoch nicht ganz verkneifen. Nachdem nun auch Dervit die Begrüßungsformel gestammelt hatte, fragte er Karmai nach dem Verbleib seiner Begleiter. Karmai ließ ein sympathisch anmutendes Lachen hören.
„Sie sind gegangen, um euch gleich ein Zweites Mal zu sehen. Sie werden bald zurück sein.- Ich bin gekommen, um euch einzuladen, mich zu meinem Dorf zu begleiten. Ich bitte euch, seid für eine Weile meine willkommenen Gäste!“
Wieder neigte er den Kopf vor jedem Einzelnen. Dervit warf einen Blick in die Runde und seine Augen wirkten so müde, dass es Julie in der Seele wehtat.
„Es tut uns wirklich sehr leid und ich will dich wirklich nicht beleidigen, mein Freund, aber hast du vergessen, dass wir noch immer auf der Suche nach meiner Frau sind? Da wir noch immer nicht wissen, was mit ihr geschehen ist, können wir niemandes Gast sein. Ich bitte dich, uns zu verstehen, mein Freund!“
Julie hatte die Unterhaltung gespannt verfolgt. Sie konnte Dervit gut verstehen und auch ihr war nicht danach zumute, sich als Gast vielleicht sogar feiern zu lassen. Trotzdem fühlte sie Neugier in sich aufsteigen. Wie wäre es wohl, in solch einem Dorf zu sein? Wie schwierig wäre es, sich dort anzupassen?
In diesem Moment kamen Karmais Begleiter zurück. Formell stellte Karmai sie vor. Ihre Namen lauteten Sel, Balos und Tan. Nun hatte Julie endlich Zeit, sich die drei anderen Gelbländer näher anzusehen. Im Großen und Ganzen ähnelten sie Karmai, Sie hatten die gleiche Größe und auch in ihren Augen stand derselbe Stolz. Doch schon forderte Karmai wieder ihre Aufmerksamkeit.
„Stellt euch nur vor“, rief er aus. „Sie wollen unsere Einladung tatsächlich ausschlagen! Man müsste das ja eigentlich als Beleidigung ansehen! Zumal sie als Entschuldigung aufführen, nach einem Weib zu suchen, das doch schon seit zwei Tagen unser Gast ist!“
Karmais blaue Augen blinzelten schalkhaft. Um seinen Mund lag ein Grinsen, das ihm einen lausbubenhaften Eindruck verlieh. Julie war sprachlos. Was hatte Karmai gerade gesagt? Dervit brauchte die längste Zeit, Karmais Worte auf sich wirken zu lassen. Aber dann sprang er auf und machte doch tatsächlich Luftsprünge.
„Ihr habt meine Frau gefunden? Meine TsiTsi? Oh Karmai! Morsena hab Dank. Wie geht es ihr? Ist sie wohlauf? Oh, oh hab tausend Dank Karmai!“
Von einer Sekunde zur anderen blieb er plötzlich stehen und schwieg verlegen. Doch seinen Augen konnte er nicht befehlen zu schweigen. Sie funkelten den Gelbländer weiterhin überglücklich an. Dervit zitterte am ganzen Körper, so groß war sein Glück! Julie beobachtete Dervit und die Gelbländer gleichzeitig. Auch ihre Knie zitterten.
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