Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr des Chaos

Herr des Chaos

Titel: Herr des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
durchschaute.
    Aber er war keineswegs dumm. Es wäre interessant, herauszufinden, woher er von der Verschwörung bei diesen Kriminellen erfahren hatte. Sie selbst hätte das nie herausbekommen, wäre Mesaana nicht etwas im Zorn entschlüpft, weil sie ihrer Wut der Abwesenheit Semirhages wegen Luft machen mußte. Ihr Zorn war so heftig gewesen, daß ihr überhaupt nicht klar geworden war, wieviel sie verraten hatte. Wie lange hatte Mesaana in der Weißen Burg gesteckt? Allein schon die Tatsache, daß sie sich dort befunden hatte, löste einige interessante Gedankengänge aus. Gäbe es eine Möglichkeit, zu entdecken, wo sich Demandred und Semirhage eingenistet hatten, dann war es vielleicht auch möglich, nachzuvollziehen, was sie zu tun vorhatten. Das hatten sie ihr nicht anvertraut. Oh, nein. Diese drei hatten schon seit der Zeit vor dem Krieg um die Macht zusammengearbeitet. Zumindest an der Oberfläche. Sie war sicher, daß sie auch untereinander genauso fleißig intrigiert hatten wie die anderen Auserwählten, aber ob nun Mesaana Semirhage das Wasser abgrub oder Semirhage Demandred, hatte sie doch nie einen Spalt gefunden, in den sie einen Keil zwischen die drei treiben könnte.
    Ein Schaben von Stiefelsohlen kündete von einem Neuankömmling, aber es waren nicht die Männer, die den Teppich ersetzen und die Überreste Rashans entfernen sollten. Ebram war ein hochgewachsener, gut gebauter Domanijüngling in engen, roten Hosen und einem weiten, weißen Hemd. Er hätte durchaus in ihre Sammlung von Lieblingstierchen passen können, wäre er nicht lediglich der Sohn eines Kaufmannes gewesen. Seine dunklen, schimmernden Augen blickten sie eindringlich an, als er niederkniete. »Lord Ituralde ist angekommen, Große Herrin.«
    Graendal stellte den Kelch auf einen Tisch, der auf den ersten Blick wirkte, als sei er mit den Elfenbeinfiguren von Tänzern eingelegt. »Dann soll er mit Lady Basene sprechen.«
    Ebram erhob sich geschmeidig und bot der gebrechlichen Domanifrau, die er nun vor sich sah, seinen Arm an. Er wußte, wer hinter dieser geschickt gewobenen Illusion steckte, aber trotzdem schwand der Ausdruck der Verehrung auf seiner Miene ein wenig. Sie wußte:
    es war Graendal und nicht Basene, die er anbetete. Im Augenblick war ihr das gleichgültig. Sammael war zumindest einmal auf Rand al'Thor angesetzt, vielleicht auch schon auf ihn fixiert. Was Demandred und Semirhage und Mesaana betraf... Nur sie selbst wußte davon, daß auch sie allein eine Reise zum Schayol Ghul und hinunter zu dem Feuersee unternommen hatte. Nur sie wußte davon, daß ihr der Große Herr fast schon den Rang des Nae'blis versprochen hatte, und dieses Versprechen würde er sicherlich halten, war erst einmal Rand al'Thor aus dem Weg geräumt. Sie würde des Großen Herrn gehorsamste Dienerin sein. Sie würde Chaos sähen, bis Demandreds Lunge bei der Ernte explodierte.
    Semirhage ließ die eisenbeschlagene Tür hinter sich zufallen. Eine der Glühbirnen, der Große Herr allein mochte wissen, aus welchen Überresten sie stammte, flackerte ständig, warf aber immer noch ein helleres Licht als die Kerzen und Öllampen, mit denen sie sich in diesem Zeitalter abfinden mußte. Vom Lichtschein abgesehen, machte dieser Ort den beklemmenden Eindruck eines Gefängnisses, mit seinen raunen Steinwänden und dem blanken Fußboden. Nur ein kleiner, grob gezimmerter Holztisch stand in der einen Ecke. Das war nicht ihr Einfall gewesen. Ware es nach ihr gegangen, dann wäre hier alles fleckenlos weiß gewesen und hätte vor Cueran nur so geschimmert, glattgeleckt und steril. Dieser Ort war vorbereitet worden, bevor sie von der Notwendigkeit dazu erfahren hatte. Eine in Seide gekleidete Frau mit blassem Haar hing mitten im Raum an gespreizten Armen und Beinen offensichtlich im Leeren und blickte sie trotzig an. Eine Aes Sedai. Semirhage haßte die Aes Sedai.
    »Wer seid Ihr?« wollte die ›Patientin‹ wissen. »Gehört Ihr zu den Schattenfreunden? Oder seid Ihr eine Schwarze Schwester?«
    Semirhage beachtete den Lärm gar nicht, sondern überprüfte nur kurz den Puffer, der zwischen der Frau und Saidar lag. Sollte er versagen, konnte sie dieses erbärmliche Bündel wohl problemlos abschirmen - es war schon ein deutliches Anzeichen für die Schwäche einer Frau, wenn sie sich leisten konnte, den verknoteten Puffer unbeobachtet zurückzulassen -, aber die Vorsicht war ihr zur zweiten Natur geworden, und so tat sie stets nur einen Schritt nach dem anderen. Nun

Weitere Kostenlose Bücher