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Herr des Chaos

Herr des Chaos

Titel: Herr des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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sie alle möglichen Arten schrecklicher Geschichten über schwarz verschleierte Aiel gehört hatte. Ihre Jacke und Hose waren aus der feinsten, weichsten Wolle, die in Salidar zu finden war, in einem hellen Rotton mit winzigen blauweißen aufgestickten Blumen an den Aufschlägen und an der Außenseite der Hosenbeine. Ihr Hemd war ebenfalls wie das eines Mannes geschnitten, aber es war aus cremefarbener Seide. In Baerlon hatten ihre Tanten nach dem Tod ihres Vaters versucht, sie zu einer, wie sie es nannten, richtigen, anständigen Frau zu machen, obwohl ihre Tante Miren vielleicht begriffen hatte, daß es, nachdem sie zehn Jahre lang in Jungenkleidung herumgelaufen war, vielleicht zu spät war, sie in Kleider zu stecken. Sie hatten es dennoch versucht, und sie hatte sich genauso eigensinnig gewehrt, wie sie sich geweigert hatte, nähen zu lernen. Abgesehen von jener unglückseligen Episode im Bergarbeiters Ruh - einem rauhen Ort, an dem sie aber nicht lange geblieben war; Rana, Jan und Miren hatten energisch dafür gesorgt, als sie es herausfanden, und es war dabei unwichtig, daß sie damals bereits zwanzig Jahre alt gewesen war -, abgesehen von diesem einen Mal hatte sie niemals freiwillig ein Kleid getragen. Jetzt dachte sie, daß sie sich vielleicht eines anstatt dieser Jacke und Hose hätte anfertigen lassen sollen. Ein Seidengewand mit engem Leibchen und tief ausgeschnitten und...
    Er wird mich so nehmen müssen, wie ich bin, dachte sie und riß verärgert an den Zügeln. Ich werde mich für keinen Mann ändern. Nur wäre ihre Kleidung vor noch gar nicht allzu langer Zeit so einfach wie die eines Bauern gewesen, und ihr Haar hätte nicht gelockt bis fast auf die Schultern gereicht. Eine leise Stimme flüsterte: Du wirst so sein wollen, wie er dich haben will. Sie wehrte das genauso ab, wie sie stets jeden Stallburschen abgewehrt hatte, der anzüglich werden wollte, und trieb Wildrose kaum sanfter an. Sie haßte allein schon den Gedanken, daß Frauen schwach sein könnten, wenn es um Männer ging. Sie würde jetzt sehr bald herausfinden, wie es sich wirklich verhielt.
    Sie stieg vor den Palasttoren ab, tätschelte die Stute, um ihr zu zeigen, daß sie sie nicht hatte treten wollen, und beäugte unbehaglich die Aiel. Die Hälfte von ihnen waren Frauen, alle außer einer erheblich größer als sie. Die meisten Männer ragten in die Höhe wie Rand, und einige sogar noch höher. Jedermann beobachtete sie - nun, sie schienen alles zu beobachten, aber sie ganz entschieden auch - und sie sah niemanden blinzeln. Mit diesen Speeren und Schilden, den Bogen auf ihren Rücken und Köchern an den Hüften und den schweren Messern waren sie bereit zu töten. Diese schwarzen Stoffstreifen, die bis auf ihre Brust reichten, mußten die Schleier sein. Sie hatte gehört, daß Aiel niemanden töteten, ohne ihr Gesicht zu verhüllen. Hoffentlich stimmt das.
    Sie sprach die kleinste der Frauen an. Ihr gebräuntes, wie aus Holz geschnitzt wirkendes Gesicht wurde von hellrotem Haar umrahmt, das genauso kurz geschnitten war wie Mins, aber sie war ein wenig kleiner als diese. »Ich bin gekommen, um Rand al'Thor zu sehen«, sagte Min. »Den Wiedergeborenen Drachen.« Blinzelte niemand von ihnen jemals? »Mein Name ist Min. Er kennt mich, und ich habe eine wichtige Nachricht für ihn.«
    Die rothaarige Frau wandte sich zu den anderen Aiel um und gestikulierte heftig mit der freien Hand. Die anderen Frauen lachten, als sie sich wieder umwandte. »Ich werde Euch zu ihm bringen, Min. Aber wenn er Euch nicht kennt, werdet Ihr weitaus schneller wieder hinausgelangen, als Ihr hineingekommen seid.« Einige der Aielfrauen lachten auch darüber. »Ich bin Enaila.«
    »Er kennt mich«, sagte Min errötend. Sie trug in den Jackenärmeln zwei Messer bei sich, deren Handhabung Thom Merrilin ihr beigebracht hatte, aber sie hatte das Gefühl, als könnte diese Frau sie ihr fortnehmen und sie damit häuten. Über Enailas Kopf flammte ein Bild auf und verschwand wieder. Eine Art Kranz. Min hatte keine Ahnung, was das bedeutete. »Soll ich mein Pferd auch mit hineinnehmen? Ich glaube nicht, daß Rand es sehen will.« Zu ihrer Überraschung kicherten einige der Aiel, Männer und Frauen, und Enaila verzog die Lippen, als wollte sie ebenfalls kichern.
    Ein Mann kam heran, um ihr Wildrose abzunehmen - Min hielt ihn, trotz der gesenkten Augen und des weißen Gewandes, auch für einen Aiel -, und sie folgte Enaila durch die Tore, über einen weiten Hof und dann in

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