Herr des Chaos
Hochzeitsdolch umgab bereits ihren schlanken Hals -, hatte sie sich freiwillig erboten, sich um Olver zu kümmern, und dabei lachend erwähnt, daß sie selbst sechs Söhne haben wollte. Mat vermutete, daß sie jetzt auf Töchter zu hoffen begann.
Nalesean, der die Treppe herunterkam, fing Mats Blick auf, der streng genug ausfiel, um den Tairener mitten im Schritt innehalten zu lassen. Nalesean hatte Wind mit Olver als Reiter - es ritten nur Jungen - für zwei Rennen eingetragen, und Mat hatte nichts davon gewußt, bis es geschehen war. Daß sich Wind als so schnell erwiesen hatte, wie sein Name hoffen ließ, verbesserte die Sache dennoch nicht. Zwei Siege verschafften Olver den Geschmack auf mehr. »Es ist nicht Euer Fehler«, beruhigte Mat Frielle. »Steckt ihn mit meinem Segen in ein Faß, wenn es sein muß.«
Olver sah ihn vorwurfsvoll an, aber kurz darauf sauste er schon wieder herum und bedachte Frielle mit einem unverschämten Grinsen, das er irgendwo abgeschaut hatte. Es wirkte bei seinen großen Ohren und dem breiten Mund seltsam. Er würde niemals ein gutaussehender Bursche werden. »Ich werde still sitzen, wenn ich Eure Augen betrachten darf. Ihr habt wunderschöne Augen.«
Frielle trug viel von ihrer Mutter in sich, und das nicht nur bezüglich ihres Aussehens. Sie lachte melodisch und tätschelte Olver, woraufhin er errötete. Ihre Mutter und die großäugige junge Frau blickten lächelnd auf die Tischplatte.
Mat stieg kopfschüttelnd die Treppe hinauf. Er mußte mit dem Jungen reden. Er konnte nicht einfach jede Frau, die er sah, so angrinsen. Und einer Frau zu sagen, daß sie wunderschöne Augen hätte! In diesem Alter! Mat wußte nicht, wo Olver das herhatte.
Als er neben Nalesean trat, sagte der Mann: »Sie sind erneut entkommen, stimmt's?« Es war keine richtige Frage, und als Mat nickte, zog er an seinem Spitzbart und fluchte. »Ich werde die Männer zusammenrufen, Mat.«
Nerim machte sich in Mats Quartier zu schaffen, wischte den Tisch mit einem Tuch ab, als hätten die Töchter des Speers heute morgen nicht bereits staubgewischt. Er teilte sich nebenan einen kleineren Raum mit Olver und verließ die Wanderin nur selten. Ebou Dar war zügellos und unzivilisiert, behauptete er.
»Geht mein Lord aus?« fragte Nerim in klagendem Tonfall, als Mat seinen Hut hochnahm. »In diesem Umhang? Ich fürchte, auf Eurer Schulter befindet sich ein Weinfleck von letzter Nacht. Ich hätte ihn schon entfernt, wenn Mylord den Umhang heute morgen nicht so eilig umgelegt hätte, und außerdem hat der Ärmel einen Riß - von einem Messer, glaube ich -, den ich genäht hätte.«
Mat ließ sich von ihm eine graue Jacke mit Stickereien auf den Manschetten und dem hohen Kragen bringen und gab ihm statt dessen den goldverzierten Umhang.
»Ich vertraue darauf, daß Mylord heute zumindest versuchen wird, sich keinen Blutfleck einzutragen. Blut ist sehr schwer zu entfernen.«
Sie hatten sich auf diesen Kompromiß geeinigt. Mat fand sich mit Nerims düsterem Gesicht und seinen trüben Ansichten ab und ließ den Mann Dinge verrichten, die er ebenso leicht selbst hätte erledigen können. Im Gegenzug stimmte Nerim widerwillig zu, nicht ernsthaft zu versuchen, ihn tatsächlich anzuziehen.
Er überprüfte die Dolche, die unter seiner Jacke in den Ärmeln und in den herabgezogenen Schäften seiner Stiefel steckten, ließ den Speer und den Bogen ohne Sehne aber in der Ecke lehnen, ging dann hinab und trat vor das Gasthaus. Der Speer schien Dummköpfe zum Kampf zu reizen.
Trotz seines Hutes perlte, unmittelbar nachdem er aus der vergleichsweisen Kühle des Gasthauses herausgetreten war, Schweiß auf Mats Gesicht. Die Morgensonne hätte in normalen Zeiten bereits den Eindruck der Mittagszeit im Hochsommer erweckt, und der Mol-Hara-Platz war noch dazu dicht bevölkert. Mat blieb zunächst stirnrunzelnd am Tarasin-Palast stehen. Wie konnten sie ungesehen entkommen, wo doch Thom im Inneren und Vanin draußen wachten? Sie gingen fast an jedem Tag aus. Nachdem dies drei Mal geschehen war, hatte Mat dafür gesorgt, daß jede Tür dieser Masse weißen Gesteins bewacht wurde, wobei die Wächter ihre Plätze schon vor der Dämmerung einnahmen. Es waren mit ihm und Nalesean eigentlich ausreichend viele Wachen. Niemand hatte irgend etwas gesehen, und doch kam Thom unmittelbar vor der Mittagszeit heraus und verkündete, daß die Frauen irgendwie hinausgelangt seien. Der alte Gaukler schien fast außer sich und bereit, sich den
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