Herr des Lichts
Machtballung zu nahe zu kommen; es heißt, daß viele Zeichen und Wunder den Fall des Mächtigen angekündigt hatten; es heißt in den Schriften der Theologen und heiligen Historiker, daß der, der Sam genannt wurde, seine Häresien widerrufen und sich der Gnade der Trimurti anheimgestellt hätte; es heißt schließlich, daß die Göttin Parvati, die entweder seine Frau, seine Mutter, seine Schwester, seine Tochter oder vielleicht das alles in einem war, den Himmel verlassen hätte, um in Trauer unter den Hexen des östlichen Kontinents zu leben, die die Göttin zu den ihren zählten. Mit dem Anbruch der Dämmerung war der große Garuda-Vogel, das Roß des Wischnu, dessen Schnabelhieb die Streitwagen zerschmettert, für einen Augenblick in seinem Käfig erwacht und hatte einen einzelnen heiseren Schrei ausgestoßen, einen Schrei, der durch den Himmel gellte, Glas zerspringen ließ, in Echos über das Land rollte und auch aus dem tiefsten Schlaf riß. Ein stiller Sommer lag über dem Himmel, und der Tag der Liebe und des Tods begann.
Die Straßen des Himmels waren leer. Die Götter blieben in ihren Palästen und warteten. Alle Portale des Himmels waren fest verschlossen.
Die Diebin und der, den seine Anhänger Mahasamatman genannt (und für einen Gott gehalten hatten), waren freigelassen worden. Die Luft war mit einemmal kalt und schicksalsträchtig.
Hoch, hoch oben über der Himmlischen Stadt, auf einer Plattform am obersten Ende der Meilenspitze, stand der Herr der Illusionen - Mara der Träumer. Sein Umhang leuchtete in allen Farben des Erdreichs. Seine Arme waren erhoben, und es durchflossen ihn die Kräfte anderer Götter und stärkten seine ureigene Kraft.
In seinem Geist nahm ein Traum Form an. Dann schleuderte er diesen seinen Traum von sich, so wie eine hohe Wellenfront Wasser auf einen Strand wirft.
Seit ihrer Begründung durch den Gott Wischnu hatten die Stadt und die Wildnis alle Zeitalter hindurch und ohne Ausnahme Seite an Seite existiert, aneinandergrenzend und sich doch nicht wirklich berührend und doch durchdringend, füreinander erreichbar und gleichzeitig, wenn nicht durch eine Trennung rein räumlicher Natur, so doch durch eine große Distanz im Geiste voneinander entfernt. Wischnu als der Bewahrer hatte seine Gründe dafür gehabt. Auch jetzt war ihm die Aufhebung seiner Barriere nicht recht, obwohl es nur zeitweilig und in begrenztem Umfang geschehen sollte. Er wollte nichts davon wissen, daß die Wildnis überhaupt in die Stadt hineinwucherte, in die Stadt, die in seinem Geiste Wirklichkeit geworden war und für ihn den vollkommenen Triumph der Form über das Chaos darstellte.
Doch kraft der Fähigkeit des Träumers wurde es den Phantomkatzen für eine bestimmte Zeit gegeben, den Himmel in seiner tatsächlichen Gestalt zu sehen.
Unruhig strichen sie über die dunklen und zeitlosen Pfade des Dschungels, der teilweise Illusion war. An jenem Ort, der nur halb existierte, legte sich ein neues Sehen auf ihre Augen, und mit dem Sehen kamen Rastlosigkeit - und Jagdlust.
Unter den Seefahrern, diesen die ganze Welt beliefernden Geschichtenerzählern und Klatschbasen, die über alles und jedes Bescheid zu wissen scheinen, kursierte jedoch das Gerücht, daß einige Phantomkatzen, die an diesem Tag auf die Jagd gingen, gar keine wirklichen Katzen waren. Laut ihren Berichten erzählte man sich überall dort auf der Welt, wo sich die Götter später einmal aufgehalten hatten, daß einige aus der Himmlischen Festgesellschaft aus der Stadt gezogen und in die Körper der weißen Tiger von Kaniburrha geschlüpft seien, um an der Jagd in den Straßen des Himmels teilzunehmen; an der Jagd auf die Diebin, die versagt hatte, und auf den, den man Buddha genannt hatte.
Als Sam durch die Straßen der Stadt wanderte, kreiste - so heißt es - ein alter Jakobsvogel dreimal über ihm, ehe er schließlich auf seiner Schulter landete und sagte:
»Seid Ihr nicht Maitreya, der Herr des Lichts, auf den die Welt, oh, so viele Jahre gewartet hat - der, dessen Kommen ich vor langer Zeit schon in einem Gedicht prophezeit habe?«
»Nein, mein Name ist Sam«, erwiderte er, »und ich bin dabei, die Welt zu verlasen, nicht, sie zu betreten. Wer bist DU?«
»Ich bin ein Vogel und war einmal ein Dichter. Den ganzen Morgen hindurch, seit der Schrei des Garuda den Tag eröffnet hat, bin ich unermüdlich geflogen. Ich hatte mich über den Wegen des Himmels gehalten und nach Rudra ausgeschaut, in der Hoffnung, ihn mit meinem Kot
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