Herr des Lichts
Kinder würden sie mit unseren Geschenken spielen und daran zugrunde gehen. Sie sind unsere Kinder, die Kinder unserer längst verwesten Ersten-Körper, die Kinder unserer zweiten, dritten und all der anderen Körper danach - und wir tragen die Verantwortung von Eltern für sie. Wir können es nicht zulassen, daß sie mitten in eine industrielle Revolution hineingeschleudert werden und daß die erste gefestigte Gesellschaft überhaupt auf diesem Planeten vernichtet wird. Am besten erfüllen wir unsere Elternpflichten, indem wir sie, so wie es jetzt geschieht, durch die Tempel beaufsichtigen lassen. Götter und Göttinnen sind im Grunde Elternfiguren - was könnte also wahrhaftiger und wohlbegründeter sein, als daß wir diese Rolle annehmen und voll ausspielen?«
»Warum zerstört ihr dann ihre eigene kindliche Technik? Ich kann mich an drei Fälle erinnern, daß sie die Druckerpresse wiederentdeckt hatten. Jedesmal wurde die Erfindung vom Himmel unterdrückt.«
»Auch das geschah aus dem Grund, den ich schon benannt habe - sie waren noch nicht reif dafür. Und sie haben auch nichts wirklich erfunden, sondern sich lediglich erinnert. Jemand ist hingegangen und hat sich aus den alten Legenden das nötige Wissen zusammengesucht. Aber wenn eine Kultur etwas entwickelt, dann muß sie es aus sich selbst heraus entwickeln und es nicht aus der Vergangenheit holen wie ein Kaninchen aus dem Zylinder.«
»Das scheint mir aber auf äußerst fragwürdige Grundsätze hinauszulaufen, Brahma. Du hast mit anderen Worten gesagt, daß deine Bevollmächtigten das Recht haben, überall auf der Welt herumzuschnüffeln und jedes Zeichen von Fortschritt, auf das sie stoßen, zu zerstören.«
»Das ist nicht wahr«, sagte der Gott. »Du redest, als ob wir uns mit aller Macht an die Bürde des Himmlischen Daseins klammerten, als ob wir ein finsteres Zeitalter in die Länge ziehen wollten, um für immer den ermüdenden Zustand der uns aufgezwungenen Göttlichkeit zu wahren!«
»Mit einem Wort«, sagte Sam, »ja. Was ist mit dem Gebetautomaten, der auch vor deinem Tempel hier steht, Brahma? Befindet er sich etwa auf derselben Kulturstufe mit einem Streitwagen?«
»Das ist etwas anderes«, sagte Brahma. »Als göttliche Offenbarung wird er von den Bürgern ehrfürchtig verehrt und aus religiösen Gründen nicht näher in Augenschein genommen. Es wäre etwas ganz anderes, wenn das Schießpulver in ihre Hände geriete.«
»Angenommen, irgendein Atheist kapert sich einen Automaten und nimmt ihn auseinander? Und angenommen, der Mann ist ein Thomas Edison? Was dann?«
»Es sind komplizierte Kombinationsschlösser eingebaut. Wenn irgend jemand anders als ein Priester sie öffnet, fliegt das ganze Ding in die Luft, und von deinem Edison wird nicht viel übrigbleiben.«
»Die Wiederentdeckung des Destillierapparats konntet ihr aber nicht verhindern, wie ich festgestellt habe, obwohl ihr es an Versuchen nicht habt fehlen lassen. Daraufhin habt ihr dann eine Alkoholsteuer erhoben, die an die Tempel abgeführt werden muß.«
»Die Menschheit hat schon immer im Trinken ihre Befreiung gesucht«, sagte Brahma. »Im allgemeinen hat sie es irgendwo in ihre religiösen Zeremonien eingebaut, um so die Schuldgefühle wettzumachen. Du hast recht, zuerst haben wir versucht, die Sache zu unterbinden, aber wir mußten sehr schnell einsehen, daß wir das nicht konnten.
Also sprechen wir den Leuten jetzt als Gegenleistung für unsere Steuer einen Segen über ihr Gebräu. Weniger Schuldgefühle, weniger Katzenjammer, weniger Aufsässigkeit gegen den Himmel - es ist eine psychosomatische Sache, weißt du - und so hoch ist die Steuer auch wieder nicht.«
»Seltsam nur, daß so viele von ihnen lieber das ungeweihte Gebräu trinken.«
»Du bist hierhergekommen, um zu beten, aber alles, was du bisher getan hast, war - spotten. Hast du mir sonst nichts zu sagen, Sam? Ich habe mich bereit erklärt, deine Fragen zu beantworten, aber ich bin nicht bereit, mit dir über deikratische Politik zu diskutieren. Hast du dir inzwischen mein Angebot überlegt?«
»Ja, Madeleine«, sagte Sam, »und hat dir schon einmal jemand gesagt, wie hübsch du bist, wenn du wütend wirst?«
Brahma sprang von seinem Thron auf. »Wie kommst du dazu? Woher weißt du... ?« kreischte der Gott.
»Ich wußte es nicht mit Sicherheit«, sagte Sam lachend. »Erst jetzt weiß ich es. Es war ein Versuchsballon. Einige deiner Sprachgewohnheiten und deine Gestik kamen mir irgendwie bekannt vor. Es
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