Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr des Lichts

Herr des Lichts

Titel: Herr des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
Vom Netzwerk:
fast orange, trat für kurze Zeit Stille ein. Die Ankömmlinge zogen jedoch ihre Kapuzen herunter und setzten sich mit übereinandergeschlagenen Beinen auf den Boden, und nach einiger Zeit waren es wieder nur noch der Gesang und die Stimmen der Trommeln, die die Sinne der Lauschenden beherrschten.
    Als die Schauspieler erschienen - gigantisch in ihrer Aufmachung, schrillende Glöckchen um ihre stampfenden Fußgelenke gebunden - erscholl kein Applaus, aber aller Aufmerksamkeit war auf sie gerichtet. Die Kathakali-Tänzer waren berühmt. Von Jugend auf in Akrobatik geübt, und geübt auch in den epochenalten Figuren des klassischen Tanzes, kannte sie die neun verschiedenen Bewegungen des Nackens und der Augäpfel und kannten sie die Hunderte von Handstellungen, die erforderlich waren, um die überlieferten Epen Wiederaufleben zu lassen, jene Epen, die von Liebe und Kampf, von den Gefechten zwischen Göttern und Dämonen, von den heldenmutigen Schlachten und den blutigen Hinterhalten in alter Zeit berichteten. Die Musikanten schrien die Worte der Geschichten hinaus, während die Schauspieler, die niemals sprachen, die ehrfurchtgebietenden Taten Ramas und der Pandawa-Brüder darstellten. In grünen und roten, in schwarzen und perlweißen Tanzkostümen schritten sie mit wehenden Gewändern über den Platz, und ihre mit Spiegelsplittern übersäten Kopfringe glitzerten im Licht der Öllampe. Gelegentlich flackerte oder zischte die Lampe, und es war dann, als ob ein Nimbus aus heiligem oder unheiligem Licht die Köpfe der Tänzer umspielte, allen Unterschied zwischen Wirklichkeit und Traum verwischend. Einen Augenblick lang vermeinten die Zuschauer dann, daß sie selbst die Illusion seien, daß allein die großleibigen Gestalten des zyklopischen Tanzes auf der Welt wirklichen Bestand hatten.
    Bis zum Tagesanbruch würde der Tanz dauern, mit der aufgehenden Sonne würde er enden. Bevor der Tag jedoch dämmerte, traf einer der Safranroben-Mönche aus Richtung Stadt ein, bahnte sich einen Weg durch die Menge und flüsterte dem Erleuchteten etwas ins Ohr.
    Der Buddha machte zunächst Anstalten sich zu erheben, überlegte es sich dann offenbar, blieb sitzen und gab dem Mönch einen Auftrag; der nickte daraufhin und verließ den Festplatz wieder.
    Der Buddha, der seine Aufmerksamkeit wieder dem Schauspiel zuwandte, wirkte gelassen wie immer. Nur ein Mönch, der in seiner Nähe saß, bemerkte, daß er mit den Fingern auf den Boden klopfte. Er schloß daraus allerdings, daß der Erleuchtete vom Takt der Trommelschläge ergriffen sei, denn war es nicht allbekannt, daß er über solche Empfindungen wie Ungeduld längst hinaus war?
    Als das Schauspiel zu Ende ging und Surya, die Sonne, den Saum des Himmels über dem östlichen Horizont der Erde rosa färbte, war es, als ob die eben vergangene Nacht die Menge in einem spannungsgeladenen und schreckenerregenden Traum gefangengehalten hatte. Erst jetzt wurde sie aus diesem Traum entlassen, um erschöpft den neuen Tag zu beginnen.
    Der Buddha und seine Jünger brachen sogleich in Richtung Stadt auf. Auf dem ganzen Weg legten sie keine einzige Rast ein. Alundil selbst durchquerten sie in raschem, aber doch würdevollem Gang.
    Als sie den Purpurhain erreicht hatten, wies der Erleuchtete die Mönche an, sich zur Ruhe zu begeben, während er selbst sich wieder auf den Weg machte. Sein Ziel war ein kleines Sommerhäuschen, das tief im Wald versteckt lag.
    Der Mönch, der während des Schauspiels die Botschaft gebracht hatte, saß im Innern des Pavillons. Er versuchte das Fieber des Reisenden zu lindern, den er im Sumpfland gefunden hatte. Der Mönch ging oft allein durch den Sumpf, um ungestört über die scheußliche Gestalt meditieren zu können, die sein Körper nach dem Tode annehmen würde.
    Tathagata musterte den Mann, der auf einer Schlafmatte lag. Seine Lippen waren dünn und bleich; er hatte eine hohe Stirn, hohe Backenknochen, eisgraue Augenbrauen, spitze Ohren; und Tathagata vermutete, daß die Augen, die unter den jetzt geschlossenen Lidern lagen, von einem verwaschenen Blau oder Grau sein würden. In seiner Bewußtlosigkeit wirkte der Körper irgendwie durchsichtig, zerbrechlich, was zum Teil von dem Fieber herrühren mochte, das in ihm raste, aber nicht allein dadurch erklärt wurde. Der schmächtige Mann machte nicht den Eindruck, als ob ihm das gehören könnte, was Tathagata jetzt in den Händen hielt. Auf den ersten Blick sah er einfach wie ein sehr alter Mann aus.
    Wenn man

Weitere Kostenlose Bücher