Herr des Lichts
herschwankend, den Buddha, so daß das Messer sich tief in die Holzfibern bohrte. Dann peitschte der Ast wieder himmelwärts, die Waffe außer alle Reichweite mit sich tragend.
Des Buddhas Augen waren in Meditation geschlossen, und sein Nimbus glühte im Schatten des Baums.
Yama tat einen Schritt vorwärts und hob seine Hände, doch die Gräser verknoteten sich um seine Knöchel und hielten ihn fest, wo er stand.
Einen Augenblick lang kämpfte er vergeblich gegen seine zähen Fesseln, zerrte er an den nicht nachgebenden Graswurzeln. Dann gab er seine Bemühungen auf. Er warf beide Hände hoch, warf seinen Kopf weit in den Nacken, und Tod sprang aus seinen Augen.
»Hört mich, o Mächte!« rief er. »Von diesem Zeitpunkt an soll der Fluch des Yama auf diesem Ort lasten! Nichts Lebendes soll sich je wieder auf diesem Boden rühren! Kein Vogel soll hier singen, keine Schlange hier gleiten! Der Ort soll öde und kahl sein, steinig und vom Flugsand verschüttet! Kein Grashalm soll sich hier je wieder dem Himmel entgegenrecken können! Dieser Fluch, dieses Verhängnis gilt den Beschützern meines Feindes!«
Da begannen die Gräser zu verdorren, aber bevor sie ihre Bande lösten, setzte ein gewaltiges Knacken und Splittern ein, und der Baum, dessen Wurzeln die Welt zusammengehalten hatten und in dessen Zweigen die Sterne gefangen gewesen waren wie Fische in einem Netz, dieser Baum schwankte, neigte sich nach vorn und brach in der Mitte, wobei seine fallenden Wipfel den Himmel auseinanderrissen, wobei seine erschütterten Wurzeln Klüfte im Boden öffneten, wobei sein Laub in blaugrünen Schauern auf den Tod herabregnete. Ein schweres Bruchstück des Stamms kippte auf ihn zu und warf im Fallen einen Schatten so schwarz wie die Nacht.
In der Ferne konnte er noch immer den Buddha sehen, der in Meditation versunken saß, als ob er das Chaos, das sich rings um ihn auf tat, nicht bemerkte.
Was dann kam, war nur noch Schwärze und ein Lärm wie von Donnergrollen.
Yamas Kopf schnellte hoch, seine Augen sprangen auf.
Er saß im Purpurhain, seinen Rücken gegen den Stamm eines blauen Baums gelehnt, seinen Säbel über die Knie gelegt.
Nichts schien sich verändert zu haben.
Die Reihen der Mönche saßen wie in Meditation. Die Brise war noch ebenso kühl und feucht, und die Lichter flackerten in ihrem Atem.
Yama stand auf. Irgendwie wußte er nun, wohin er gehen mußte, um den zu finden, den er suchte.
Er ließ die Mönche hinter sich und folgte einem ausgetretenen Pfad, der tief in das Waldesinnere führte.
Er stieß auf einen Purpurpavillon, der aber leer stand.
Er ging weiter, hielt sich an den Pfad und gelangte dorthin, wo der Wald zur Wildnis wurde. Der Boden wurde feucht, und ein Dunstschleier hing in der Luft. Der Weg vor ihm war jedoch noch immer deutlich zu erkennen - beleuchtet vom Licht der drei Monde.
Der Trampelpfad führte nun abwärts. Die blauroten Bäume standen hier verkrümmter und weniger hoch als im Wald oben. Kleine Wassertümpel mit darauf treibenden Fetzen leprösen Silberschaums gurgelten zu beiden Seiten der Fährte. Sumpflandgeruch stach ihm in der Nase, und aus den Buschgruppen drang das Keuchen unbekannter Lebewesen.
Aus dem Waldstück hoch über dem Sumpf, das er durchquert hatte, drangen nun singende Stimmen, und er begriff, daß die Mönche dort nun erwacht waren und durch das Gehölz schweiften. Es war ihre Aufgabe gewesen, ihre Gedanken zu vereinen und ihm, Yama, die Vision aufzuzwingen, daß ihr Führer unüberwindlich sei. Vielleicht war ihr Gesang ein Signal, das dem Buddha.
Dort!
In helles Mondlicht getaucht, saß er inmitten einer freien Fläche auf einem Felsen.
Yama zückte seinen Säbel und näherte sich ihm.
Als er noch etwa zwanzig Schritt entfernt war, wandte der andere seinen Kopf.
»Ich grüße Euch, o Tod«, sagte er.
»Grüße auch Euch, Tathagata.«
»Sagt mir, warum seid Ihr gekommen?«
»Es ist entschieden worden, daß der Buddha sterben muß.«
»Das beantwortet nicht meine Frage. Warum seid Ihr hierhergekommen?«
»Seid Ihr nicht der Buddha?«
»Man hat mich Buddha, Tathagata, Erleuchteter und vieles andere genannt. Aber um Eure Frage zu beantworten - nein, ich bin nicht der Buddha. Ihr habt schon getan, was zu tun Ihr Euch vorgenommen hattet. Heute habt Ihr den wahren Buddha getötet.«
»Mein Gedächtnis ist offenbar schwach geworden, denn ich muß gestehen, daß ich mich daran nicht erinnern kann.«
»Der wirkliche Buddha hieß bei uns Sugata«,
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