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Herr des Lichts

Herr des Lichts

Titel: Herr des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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keine Opferreste vorhanden?«
    »Niemand schenkt dem Tod Blumen«, sagte der Priester. »Sie kommen nur, um das Bild zu sehen, und gehen dann weiter. Wir Priester haben immer empfunden, daß die beiden Statuen gerade richtig aufgestellt sind. Sie sind ein schreckliches Paar, findet Ihr nicht? Der Tod und die Herrin der Vernichtung?«
    »Ein mächtiges Paar«, sagte der andere. »Aber ist es Euer Ernst, daß niemand dem Yama Opfer bringt? Ausnahmslos niemand?«
    »Nur wir Priester, wenn der Opferkalender es verlangt, und zuweilen ein Stadtbewohner, wenn ein geliebter Mensch auf dem Totenbett liegt und die Meister eine sofortige Wiedergeburt abgelehnt haben - nur dann, sonst nie. Ich habe nie erlebt, daß jemand einfach aus gutem Willen oder aufrichtiger Zuneigung dem Yama ein Opfer dargebracht hat.«
    »Es wird den Gott kränken.«
    »Aber nein, Krieger. Denn sind nicht alle, die am Leben sind, in sich selbst Opfer des Todes?«
    »Ja, wirklich, was Ihr sagt, ist richtig. Was hat Yama ihren guten Willen oder ihre Liebe nötig? Gaben sind überflüssig, denn er nimmt sich, was er will.«
    »Wie Kali«, bestätigte der Priester. »Gerade im Beispiel dieser beiden Gottheiten habe ich deshalb oft eine Rechtfertigung für den Atheismus gesucht. Unglücklicherweise manifestieren sie sich zu eindeutig in der Welt, als daß ihre Existenz mit Erfolg geleugnet werden könnte. Ein Jammer.«
    Der Krieger lachte. »Ein Priester, der ein Glaubenszweifler ist! Ich liebe so etwas. Es kitzelt meinen Musikantenknochen! Hier, kauft ein Faß Soma - zu Opferzwecken.«
    »Ich danke Euch, Krieger. Ich werde es kaufen. Begleitet Ihr mich auf ein kleines Trankopfer in den Tempel?«
    »Bei Kali, ja!« sagte der andere. »Aber nur ein kleines Opfer.«
    An der Seite des Priesters ging er ins Zentralgebäude und eine Treppe hinunter in den Keller, wo ein Faß Soma angestochen und zwei Becher gefüllt wurden.
    »Auf Eure Gesundheit und ein langes Leben«, sagte der Krieger und hob den Becher.
    »Auf Eure todbringenden Schutzgötter - Yama und Kali«, sagte der Priester.
    »Danke.«
    Sie stürzten das starke Gebräu hinunter, und der Priester zapfte für beide nach: »Um Eure Kehle für die Nacht anzuwärmen.«
    »Sehr gut.«
    »Es ist eine Wohltat zu sehen, daß einige der Zugereisten die Stadt wieder verlassen«, sagte der Priester. »Ihre Gebete haben den Tempel zwar reicher gemacht, aber sie haben die Priesterschaft doch auch sehr erschöpft.«
    »Auf die Abreise der Pilger!«
    »Auf die Abreise der Pilger!«
    Sie tranken wieder.
    »Ich dachte, die meisten von ihnen seien gekommen, um den Buddha zu sehen«, sagte Yama.
    »Das stimmt schon«, erwiderte der Priester, »aber andererseits wollen sie sich die Götter nicht zu Feinden machen. Bevor sie den Purpurhain besuchen, bringen sie für gewöhnlich im Tempel Opfer dar oder spenden den Priestern für Gebete.«
    »Was wißt Ihr von dem, den man Tathagata nennt, und von seinen Lehren?«
    Der andere sah weg. »Ich bin ein Priester der Götter und ein Brahmane, Krieger. Ich möchte nicht über ihn sprechen.«
    »Er hat Euch also auch gepackt?«
    »Schluß! Ihr habt meinen Wunsch gehört. Das ist kein Thema, über das ich mich unterhalten werde.«
    »Es ist nicht so wichtig - und wird in Kürze noch viel weniger wichtig sein. Danke für das Soma. Guten Abend, Priester.«
    »Guten Abend, Krieger. Mögen die Götter über Eure Wege wachen.«
    »So wie über die Euren.«
    Er stieg die Treppe hinauf, verließ den Tempel und setzte seinen Weg durch die Stadt fort.
     
    Als er den Purpurhain erreichte, standen drei Monde am Himmel, glommen die schwachen Lichter des Lagers zwischen den Bäumen, lag eine bleiche Lichtaura auf den Wolken über der Stadt. Und eine Brise, die etwas Feuchtigkeit mit sich führte, weckte die Pflanzen um ihn herum zum Wachstum.
    Schweigend ging er weiter und betrat das Gehölz.
    Als er dorthin kam, wo die Lichter brannten, sah er vor sich Reihe um Reihe bewegungslos sitzende Gestalten. Jede von ihnen trug eine gelbe Robe mit einer gelben Kapuze, die über den Kopf gezogen war. Es waren Hunderte, die so saßen, und nicht einer der Mönche gab einen Laut von sich.
    Er näherte sich dem, der ihm am nächsten saß.
    »Ich möchte zu Tathagata, dem Buddha«, sagte er.
    Der Mann schien ihn nicht zu hören.
    »Wo ist er?«
    Der Mann antwortete nicht.
    Yama beugte sich vor und starrte in die halbgeschlossenen Augen des Mönchs. Einen Blick lang fixierte er ihn so, aber es war, als ob der

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