Herr des Lichts
andere mit offenen Augen schlafe: er blickte an dem Fragesteller vorbei ins Leere.
Daraufhin erhob Yama seine Stimme, damit alle in dem Gehölz ihn hören mußten:
»Ich bin gekommen, um Tathagata, den Buddha, zu finden«, sagte er. »Wo ist er?«
Es war, als ob er einen Acker voll Steine angesprochen hätte.
»Glaubt Ihr, Ihr könnt ihn so verbergen?« rief er. »Glaubt Ihr, weil Ihr so viele seid und gleich gekleidet und weil Ihr mir keine Antwort gebt, glaubt Ihr, ich könnte ihn deshalb nicht unter Euch ausfindig machen?«
Nur das Seufzen des Windes, der aus der Dunkelheit durch das Gehölz blies, antwortete ihm, ließ das Licht flackern und das Purpurlaub rascheln.
Er lachte auf. »Damit könnt Ihr sogar recht haben«, gab er zu. »Aber Ihr müßt Euch irgendwann doch einmal rühren, wenn Ihr am Leben bleiben wollt - und ich kann länger warten als irgendein Mensch.«
Dann setzte er sich auf den Boden, den Rücken gegen die blaue Rinde eines hochgewachsenen Baums gelehnt, die Klinge über die Knie gelegt.
Sogleich wurde er von Schläfrigkeit ergriffen. Sein Kopf nickte mehrmals auf die Brust und schnellte ebensooft wieder hoch. Dann ruhte sein Kinn endgültig und er schnarchte.
... wanderte über eine blaugrüne Ebene, deren Gräser sich vor ihm senkten, um einen Pfad zu bilden. Am Ende dieses Pfads stand ein massiger Baum, ein Baum nicht von dieser Welt. Im Gegenteil, ein Baum, der diese Welt mit seinen Wurzeln zusammenhielt, während seine Zweige ihre Blätter zwischen die Sterne streuten.
An seinem Fuß saß mit überkreuzten Beinen, ein mattes Lächeln auf den Lippen, ein Mann.
Er wußte, daß dieser Mann der Buddha war und näherte sich ihm, bis er vor ihm stand.
»Ich grüße Euch, o Tod«, sagte der Sitzende, den - hell scheinend im Schatten des Baums - eine rosenfarbene Aureole schmückte.
Yama antwortete nicht, sondern zog seinen Säbel.
Das Lächeln des Buddha erlosch nicht, aber als Yama vorwärtsschritt, hörte er Klänge wie von ferner Musik.
Er blieb stehen und blickte sich um, seine Klinge dabei noch erhoben.
Aus allen Himmelsrichtungen kamen sie, die vier Regenten der Welt, die vom Berge Sumernu heruntergestiegen waren: der Herr des Nordens ruckte an, gefolgt von seinen Yakschas - die Kleider und Panzer aus Gold, auf gelben Pferden reitend und golden im Licht gleißende Schilde haltend; der Engel des Südens nahte, gefolgt von seinen Heerscharen, den Kumbhandas - auf blauen Streitrössern reitend, Saphirschilde haltend; aus dem Osten ritt der Regent heran, dessen Reiter Perlenschilder tragen und ganz in Silber angetan sind; und aus dem Westen kam der, dessen Nagas auf blutroten Pferden thronen und rote Gewänder tragen und Korallenschilder. Ihre Hufe schienen die Gräser nicht zu berühren, und der einzige Laut war der der anschwellenden Musik.
»Warum kommen die Regenten der Welt hergezogen?« fragte Yama.
»Sie kommen, um meine Gebeine fortzuschaffen«, erwiderte, noch immer lächelnd, der Buddha.
Die vier Regenten zügelten ihre Pferde, und auch die Reiterscharen hinter ihnen hielten an. Yama blickte ihnen entgegen.
»Ihr kommt, um seine Gebeine fortzuschaffen«, sagte Yama, »aber wer wird euch diesen Dienst tun?«
Die Regenten stiegen ab.
»Ihr sollt diesen Mann nicht haben, o Tod«, sagte der Herr des Nordens, »denn er gehört der Welt, und wir, die wir von dieser Welt sind, werden ihn verteidigen.«
»Hört mich an, ihr Regenten, die ihr auf dem Sumernu lebt«, sagte Yama und entfaltete seine Gottheit. »In eure Hände ist die Aufsicht über die Welt gegeben, aber der Tod nimmt von dieser Welt, wen er will und wann immer er will. Es steht nicht in eurer Macht, meine Rechte in Frage zu stellen oder die Weise, in der ich sie wahrnehme.«
Die vier Regenten stellten sich zwischen Yama und Tathagata.
»Was diesen einen betrifft, stellen wir Eure Rechte und die Weise, in der Ihr sie wahrnehmt, in Frage, Yama-Herr. Denn in seinen Händen ruht das Schicksal unserer Welt. Ihr werdet ihn erst anrühren können, wenn Ihr die vier Mächte niedergeworfen habt.«
»Wenn es denn sein muß«, sagte Yama. »Wer von euch will sich als erster mit mir messen?«
»Ich«, sagte der Sprecher und zog seine goldene Klinge.
Yama in seiner Gottheit schnitt durch das weiche Metall wie durch Butter und hieb dem Regenten die flache Seite seines Krummsäbels derart gegen den Kopf, daß er zu Boden stürzte und reglos liegen blieb.
Ein mächtiger Schrei erhob sich aus den Reihen der
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