Herr des Lichts
den Tod gefunden. Die, die ihn lästern, sagen jedoch, daß er diese Angebote wohl angenommen hat, später jedoch selbst verraten wurde und so erst der Menschheit und ihren Leiden wieder seine Aufmerksamkeit schenkte - bis ans Ende seiner Tage, das nahe war...
Umgürte Dich mit Blitzen, Bannerträgerin, die Du das Schwert führst das Rad, den Bogen,
Du, die Du vernichtest und die Du erhältst, Kali,
Du Nacht der Zerstörung, die übers Weitende fällt Du, die Du des Nachts durch die Welt ziehst Schirmherrrin, Täuscherin, gelassen bist Du, geliebt wirst Du, denn Du bist liebenswert, Brahmani, Du, Mutter der Veden,
Du, die Du an stillen und sehr geheimen Orten lebst, von guten Vorzeichen angekündigt, gütig, allwissend, gedankenschnell, die Du Totenschädel trägst von der Macht besessen, vom Zwielicht unbezwingbare Führerin, Barmherzige,
Du, die Du denen den Weg öffnest, die verloren sind,
Du, die Du Deine Gunst verschenkst Du Lehrerin,
Du fraugewordener Heldenmut, Du mit dem Chamäleonherzen, Asketin, Magierin, Paria, ohne Tod bist du und ewig...
Aryatarabhattarikanamashtottarnsatakastotra (3 6-40)
W ie schon so oft in der Vergangenheit wurde ihr schneeweißes Fell vom Wind gebürstet.
Sie trottete dort entlang, wo die zitronengelben Gräser sich bewegten. Sie trottete eine gewundene Spur entlang, die unter dunklen Bäumen und zwischen Dschungelblumen verlief. Zu ihrer Rechten erhoben sich Jaspis-Klippen, Flöze milchweißer Felsen, durchsetzt mit orangefarbenen Adern.
Wie schon so oft zuvor bürstete auch diesmal, während sie auf ihren großen weichen Fußballen einhertrottete, der Wind ihr Fell, das so weiß wie Marmor war. Die zehntausend Düfte des Dschungels und der Ebene umwehten sie im Zwielicht dieses Ortes, der nur halb existierte.
Sie folgte der alterslosen Fährte durch den Dschungel, der zum Teil eine Illusion war. Sie war allein. Denn der weiße Tiger ist ein Einzelgänger. Wenn er anderen seiner Art im Dschungel begegnet, hält er sich nicht auf. Er zieht die Einsamkeit vor.
Wie schon so oft zuvor blickte sie zu der glatten grauen Schale des Himmels auf und zu den Sternen, die dort wie Eissplitter glitzerten. Die mandelförmigen Augen der Tigerin weiteten sich, und sie hielt an, setzte sich auf ihre Hinterbeine und starrte nach oben.
Auf was machte sie Jagd?
Ein tiefer Laut, wie ein leises Lachen, das in einem Hustenstoß endet, kam aus ihrer Kehle. Mit einem plötzlichen Satz war sie auf der Spitze eineshohen Felsens. Dort blieb sie sitzen und leckte sich ihre Schultern. Als ein Mond am Himmel aufzog, beobachtete sie ihn. Sie erschien wie ein Standbild aus nichtschmelzendem Schnee; Topasflammen glommen unter ihrer Stirn.
Wie schon oft, fragte sie sich, ob es wirklich der Dschungel von Kaniburrha war, in dem sie hier saß. Sie hatte wohl das Empfinden, daß sie sich noch immer innerhalb der Grenzen des echten Urwalds bewegte, aber Gewißheit besaß sie nicht.
Auf was machte sie Jagd?
Der Himmel liegt auf einem Plateau, das einmal eine Bergkette war. Diese Berge wurden abgeschmolzen und geglättet. Ein ebenes Fundament wurde so geschaffen. Aus dem fruchtbaren Süden wurde Ackerkrume herangeschafft - Fleisch auf die Knochen -, Fruchtbarkeit und Wachstum bringend. Das ganze Gelände wurde schließlich mit einer durchsichtigen Kuppel umhüllt, die gegen die Polarkälte und alles andere, was drinnen unerwünscht war, schützte.
Der Himmel liegt hoch, ist wohltemperiert und genießt eine lange Dämmerung und lange, müßige Tage. Frische Lüfte, die beim Einsaugen in die Kuppel angewärmt werden, zirkulieren durch die Stadt und den Wald. Es ist möglich, innerhalb der Kuppel Wolken zu erzeugen, und es ist möglich, diese Wolken über fast jeder beliebigen Stelle des Himmels abregnen zu lassen. Nach dem gleichen Prinzip könnte man auch einen Schneefall auslösen, doch hat man das bisher nie verwirklicht. Im Himmel herrscht seit eh und je ewiger Sommer.
Und mitten in diesem himmlischen Sommer steht die Himmlische Stadt.
Menschenstädte wachsen um einen Hafen herum, wachsen in der Nähe guten Farm- oder Weidelands, wachsen inmitten von Jagdgebieten, wachsen an Handelsstraßen und wachsen dort, wo reiche Bodenschätze abgebaut werden, die der Mensch benötigt. Nicht so die Himmlische Stadt. Ihr Wachstum war nicht langsam und zufällig gewesen - ein Gebäude hier hinzugefügt, eine Durchgangsstraße dort neu gezogen; war nicht ein ständiges Abreißen und Aufbauen gewesen, so
Weitere Kostenlose Bücher