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Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)

Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)

Titel: Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Haar …
    »Königin Siérce«, begrüßte er sie und stand auf. »Ich sehe, du versuchst dich an ondrischer Kleidung?«
    Bei ihrer letzten Begegnung hatte sie goldenen Stoff getragen. Heute war es schwarze Seide. Nur kleine Rankenmuster schlängelten sich an den Säumen entlang und ließen das königliche Gold aufleuchten.
    Siérce kniete nieder. »Erweist mir die Gnade, Schattenherr!«
    Fragend sah Bren Jittara an.
    »Siérce begehrt, etwas von der Finsternis zu spüren. Seid so gut und nehmt von ihr.«
    »Ich soll ihre Essenz atmen?«
    »Ich bitte Euch, Herr«, flüsterte Siérce.
    »Hast du ihr in den Verstand gegriffen?«
    Jittaras Gesicht glich einer wächsernen Maske. »Wir haben lediglich geredet. Siérce war beeindruckt von der schrecklichen Macht des Heers, als es ihre Stadt verwüstete. Ich erklärte ihr, dass die Macht der Schatten noch viel größer ist. Jetzt will sie sie erleben.«
    »Stimmt das?«
    Siérce verlagerte ihr Gewicht auf den Knien. »Ich habe noch nie Magie in mir gespürt. Das waren für mich immer nur Erzählungen.«
    »Die Priester ihrer Heimat verbaten das Rufen der Finsternis, um die Schwachen in Unwissenheit zu halten.«
    »Jittara sagt, ich könne Potenzial haben, aber dazu müsste ich die Finsternis erst einmal schauen.«
    Ungläubig schüttelte Bren den Kopf. »Warum willst du dich mit der Kraft einlassen, die alles zerstört hat, was dein Leben ausmachte, Kind?«
    Sie presste die Lippen aufeinander, bevor sie antwortete. »Ihr habt recht, Herr. Alles, was mir gehörte, ist dahin. Was von Ilyjia übrig ist, wird in den Schatten anders sein, als ich es kenne. Wie kann ich meinem Volk eine gute Herrscherin sein, wenn ich nichts über die Macht weiß, von der sein Wohl und Wehe abhängt?«
    Jittara trat an sie heran, legte eine Hand auf die Schulter der Knienden. »Siérce will eine treue Statthalterin Ondriens werden. Dazu muss sie den Weg in die Schatten gehen.«
    »Warum nimmst du sie dann nicht mit nach Karat-Dor?«
    »Darüber haben wir auch schon gesprochen. Ein Aufenthalt von einigen Monaten in der Kathedrale würde sicher ihren Geist öffnen. Aber das liegt in der Zukunft. Sie wäre so froh, wenn ihr schon jetzt ein erster Einblick gewährt werden könnte.«
    Bren begann erst zu begreifen, was die Finsternis wirklich ausmachte, seit er zu einem Schattenherrn geworden war. Das mochte daran liegen, dass er nie einem Unsterblichen seine Lebenskraft angeboten hatte, wie Siérce es jetzt tat. Tatsächlich schuf das Nehmen von Essenz ein Band zwischen dem Sterblichen und dem Unsterblichen, aber dieses musste über viele Wiederholungen wachsen. Zu Quinné, von der er nur einmal genommen hatte, fühlte Bren keine mystische Verbundenheit. Bei denjenigen, von denen sich ein Schattenherr über Jahre hinweg vorsichtig nährte, war die Bindung allerdings so stark, dass ein Osadro ihre Gefühle über große Entfernungen hinweg spürte.
    »Zu meinen Pflichten gehört nicht, Mädchenträume wahr werden zu lassen.«
    Der Kinderschädel auf Jittaras Stab schimmerte, als sie näher kam. »Natürlich nicht, Herr. Aber Ihr mögt selbst Gefallen daran finden.«
    »Das bezweifle ich.«
    Begleitet von einer schwebenden Geste der freien Hand zog Jittara eine glitzernde Wolke aus Siérces Brust. Das Mädchen seufzte, sein Oberkörper pendelte ein Stück nach hinten.
    Bren wollte sich abwenden, aber er konnte den Blick nicht von der Essenz lösen, die sich ihm näherte und dabei kontinuierlich dunkler wurde, bis sie vor seinem Gesicht so grau war wie der Schatten, den ein Baum im Mondlicht warf. Kurz zögerte er noch, dann atmete er das ihm dargebotene Leben ein.
    Noch nie hatte Bren willentlich von einem so jungen Menschen genommen. Doch dieser eine Atemzug reichte, um zu begreifen, warum so viele Osadroi die Lebenskraft von Kindern bevorzugten, wie man andernorts edlen Wein schätzte. Siérces Essenz war rein, sauber wie ein Schneefeld, auf dem es kaum Spuren gab, vielleicht nur die Fährte eines einsamen Kaninchens oder die Abdrücke zweier Spatzen, die nach Körnern gegraben hatten. In ihr war das Leben beinahe ohne Erstarrung greifbar, ertastbar. Jede Faser von Brens Körper begrüßte es, lechzte nach dem, was er selbst nicht mehr hervorzubringen vermochte und doch unbedingt brauchte, um seine bloße Existenz zu bewahren. Bren fühlte sich, als beobachte er sich selbst, während er seine Schritte zu Siérce lenkte.
    »Nehmt«, lockte Jittara flüsternd.
    Siérce sah mit weit geöffneten Augen zu

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