Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
ausbräche.
»Gib ihn mir«, bat Nalaji und nahm den Jungen auf den Schoß. »Ich brauche Wasser. Im Haus ist ein Kessel. Geh zum Fluss und spüle ihn gründlich aus, der Ruß muss weg. Dann bring ihn hoch und benutze ihn, um Wasser abzukochen. Das Holz hier ist sicher trocken genug für ein Feuer.« Der Hausbrand hatte nicht alles verzehrt, die Streben der zerbrochenen Fensterläden würden sich eignen.
Während die Frau den Auftrag ausführte, löste Nalaji den Verband des Jungen. Er war tapfer, weinte nicht, auch als sie etwas reißen musste, um die klebenden Stellen freizubekommen. Aber er reagierte auch nicht auf ihre Stimme, als sie auf einen Vogel zeigte, der in der Nähe landete, oder auf die Wolken, die von der untergehenden Sonne angeleuchtet wurden wie Brot in einem Ofen.
Der Schädel war gebrochen. Auf ihren sanften Druck hin gab er nach und etwas Blut trat aus, aber es war nur wenig und das Hirn schien nicht geschädigt. Das war keine Wunde, die eine Waffe schlug. Vielleicht hatte man den Knaben aus dem Weg gestoßen, um ungestört bei dem zu sein, was man seiner Mutter angetan hatte. Dabei mochte er gegen eine Tischkante geprallt sein. Seine Jugend war ein Vorteil, ein junger Körper erholte sich besser von so etwas als ein alter. Vorausgesetzt, er blutete nicht innerlich. Wenn im Schädel etwas anschwoll und auf das Hirn drückte, konnte er verblöden.
Nalaji sah in den Abendhimmel und suchte die Monde. Ihr geübtes Auge fand Vejata als kleine, blaue Sichel knapp über den Hügeln im Osten. Wie ein Gott, der herbeieilte, um zu helfen, aber zu weit weg und zu langsam war, um etwas bewirken zu können.
Die Schatten senken sich auf die Welt.
Vergeblich versuchte sie, die düsteren Gedanken zu verscheuchen.
Wenn selbst eine Priesterin an den Göttern zweifelt – wie soll es dann noch Hoffnung geben?
Sie spürte die Tränen in ihre Augen steigen, wischte sie fort, bevor der Junge sie hätte sehen können.
Ihr kleines Messer war scharf, geeignet, um faulendes Fleisch präzise zu entfernen. Sie löste eine Schlaufe ihrer Toga und schnitt sie ab. Der Stoff war auch nicht sauber, aber besser als der Verband, den sie dem Jungen abgenommen hatte.
Als die Mutter zurückkam, legte sie die neue Binde in den Kessel und benutzte die alte, um das Feuer zu entfachen.
»Ihr müsst nach Süden«, wiederholte Nalaji, während sie darauf warteten, dass das Wasser zu kochen begänne. »Noch sind die Ondrier auf dem Eroberungszug, aber bald werden sie sich wieder nordwärts wenden, um den Fayé den Rest zu geben. Hier unten sind sie fertig.«
»Werden sie Ilyjia wieder freigeben?«
»Die Schatten weichen selten von einem Land, das sie unterworfen haben. Die meisten Krieger werden gehen, aber die Kleriker werden kommen. Die sind noch schlimmer. Sie fordern die Seelen der Menschen für die Finsternis. Der Kult wird Nachbarn gegeneinander aufbringen und Familien spalten. Alles, was den Göttern gefällt, ist den Dienern der Schatten verhasst.«
»Aber ich kenne niemanden im Süden.«
Freudlos lächelte Nalaji. »Du wirst viele treffen, die deine Not teilen. Ihr müsst zusammenhalten.«
»Ihr sprecht so, als kämt Ihr nicht mit uns.«
»Ich bin alt und leer.«
»Redet nicht so!«
War es nicht merkwürdig, wenn eine einfache Frau eine verdiente Priesterin zu trösten versuchte?
»Wir wollen uns um deinen Sohn kümmern. Das Wasser ist heiß genug.«
Sie tupften die Verletzung ab, was der Verwundete klaglos hinnahm. Nalaji sprach ein Gebet, aber weil die Monde so schwach waren, erhielt sie nur eine unklare Vision. Sie konnte nicht ganz sicher sein, aber wenigstens entdeckte sie auch keine Schwellung im Kopf. Also legte sie einige Heilkräuter auf die Wunde, das würde einer Entzündung vorbeugen, und wickelte den neuen Verband. Prüfend drehte sie den Kopf im Feuerschein, um den Sitz der Schlaufen zu prüfen. An einer Stelle zupfte sie den Stoff zurecht. Dabei wandte sie sich zur Seite.
War da eine Bewegung? Ein Reh vielleicht?
Oder doch Keliator? Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Er musste noch leben. Er musste!
Aber die Bewegung war sehr schnell gewesen. Warum hätte Keliator rennen sollen? Es war wohl doch ein Tier, das jetzt, nach Sonnenuntergang, aktiv wurde.
Sie wandte sich wieder dem Jungen zu. »Hast du noch irgendwo Schmerzen?«
Er schwieg.
Die Mutter legte ihm die Hände auf die Knie. »Sag der ehrwürdigen Priesterin, wenn dir etwas wehtut, Halas. Du brauchst dich nicht zu schämen.«
»Du
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