Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
Fünfzig? Jetzt habt Ihr doppelt so viele, und sie wird keine Falten bekommen. Gut, das Holz wird an ihr emporwachsen, langsam mehr von ihrem Körper fordern, bis er gänzlich unbewegt geworden sein wird. Aber zumindest wisst Ihr jetzt immer, wo Ihr sie finden könnt, um ihren Schmerzensschreien zu lauschen. Sie kann Euch nicht mehr weglaufen.«
»Und wenn ich mich selbst töte, weil ich mit dieser Schuld nicht mehr leben will?«
»Ihr redet wie ein trotziges Kind. Wenn unsere Art an Sterblichen überhaupt schuldig werden kann, dann war es meine Tat, nicht Eure. Sie kam aus freien Stücken zu mir, und ich ließ sie an meiner Weisheit teilhaben.«
»Ihr habt ihren Verstand verbogen, wie es ein Schmied mit einem Stück Eisen tut.«
Sie blinzelte. »Ich sagte doch, ich habe mit ihr gespielt. Ich war begierig, zu erfahren, wie sie sich als folgsames Mädchen gebärden würde. Etwas langweilig, das gebe ich zu. Jetzt, als leidende Verehrerin, gefällt sie mir wesentlich besser.«
»Stimmt es, dass der Baum sie quält?«
»Nicht mehr, als sie ertragen kann. Wir wollen doch nicht, dass ihr Verstand auf immer dorthin flieht, wo ihn kein Schmerz mehr erreichen könnte. Und ihre Leidensfähigkeit wird über die Jahrzehnte zunehmen, da bin ich zuversichtlich. Dafür wird dieser Baum sorgen. Eigentlich ist es gar kein Baum, es ist ein Dämon. Oder ein besessener Baum, aber so vollständig besessen, dass der Dämon ebenso wenig von ihm zu trennen ist wie Eure Geliebte.«
Bren verschränkte die Arme. »Eine Ewigkeit in immerwährender Pein?«
»Abgesehen natürlich von Euren häufigen Besuchen, die ihr sicher eine Linderung sein werden. Sagt, werdet Ihr hier einen Schrein für sie errichten lassen? Vielleicht gewinnt sie noch andere Verehrer.« Nachdenklich betrachtete sie die Ohnmächtige. »Es würde mich nicht überraschen. Schönheit liegt in dieser Komposition.«
»Das würde Euch gefallen! Sie in ständiger Qual, die sich in mir spiegelt. Ich ständig hier, weit entfernt von Orgait oder auch Guardaja, sodass Ihr dort Euren Ränken nachgehen könnt.«
»Als müsste ich Euren Einfluss fürchten. Aber ich denke, wir werden unseren Plausch ein andermal fortsetzen. Der Himmel erhellt sich bereits.«
Stumm ging Bren zu einem Gardisten und zog dessen Schwert aus der Scheide.
Lisanne hob eine Braue.
Er ging zu Kiretta. Sie war bei Bewusstsein, jedenfalls flatterten ihre Lider. Er hoffte, dass sie ihn verstand. »Ich habe dich geliebt. Dich, nicht die Erinnerung an dich. Alles, was du warst. Alles, was du geworden wärst, wenn du deine Freiheit behalten hättest.«
Lisannes unsterbliche Ohren verstanden sein Flüstern mühelos. »Freiheit existiert nicht für Sterbliche.«
Er trat einen Schritt zurück, holte aus und trennte Kirettas Kopf mit einem sauberen Schlag vom Körper.
»Interessant.« Lisanne lächelte.
Bren saß stundenlang unbewegt in seinem Zelt, bis Jittara und Quinné kamen. Quinné trug einen in schwarzen Samt eingeschlagenen Gegenstand auf den Armen, als wiege sie ein Kind.
»Wir haben den Baum verbrannt«, berichtete Jittara. »Der Körper Eurer Mätresse begann bereits zu faulen und die Krähen waren schwer davon abzuhalten, von ihm zu kosten. Jetzt ist nur noch ein rauchender Holzstumpf übrig, von den menschlichen Überresten ist nicht mehr als Knochen geblieben.«
»Begrabt sie.«
»Wie Ihr wünscht, Herr. Das hier wollt Ihr vielleicht behalten.« Sie schlug den Samt zurück. Kirettas Haken glänzte im Kerzenschein. Offenbar hatte man ihn frisch poliert.
»Sorgt für ein angemessenes Behältnis«, bat Bren. »Und dann will ich nicht mehr gestört werden.«
»Wie lange nicht?«
»Bis ich es mir anders überlege. Eine Nacht, eine Woche, eine Dekade.«
»Das Heer bewegt sich nicht, man wartet darauf, dass General Zurresso eintrifft. Die Offiziere wollen gemeinsam nach Pijelas einrücken. Ein Vorauskommando erkundet die Lage.«
»Das macht Sinn. Da wir dieses Lager schon befestigt haben, sollte man es nicht gleich wieder aufgeben.«
»Man rechnet damit, übermorgen wieder auf dem Marsch zu sein.«
Bren zuckte mit den Schultern. »Zurresso wird wissen, was zu tun ist.«
Jittara betrachtete ihn, als wäre er ein Ackergaul, bei dem man nicht sicher war, ob er den Pflug nach dem Winter noch zöge oder ob man ihm lieber gleich den Gnadenstoß gäbe, um das Futter zu sparen.
»Soll ich nach Eurer Wunde sehen?«, fragte Quinné. »Ich habe Goldklammern anfertigen lassen, damit könnten wir die
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