Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
erschlagen habt, der tiefer zu lieben vermochte als alle, die jemals die Pfade meiner finsteren Nächte kreuzten. Er konnte sie nicht aufgeben. Durch seine Liebe konnte ich ihn verwunden.«
»Aber wie ist das möglich, wenn diese Liebe nicht Euch galt, sondern einer anderen Frau?«
»Sogar einer Toten, die gar nicht zugegen war.« Ihr Lächeln erstarb. Ihr Gesicht glich nun wieder dem einer weißen Marmorstatue. »Alles, was ich Euch zur Liebe beibringen konnte, habt Ihr inzwischen gelernt. Uns Osadroi gleitet sie durch die Finger wie eine Skulptur aus Asche, wenn wir sie festhalten wollen. Jetzt ist es an der Zeit für Euch, etwas über den Hass zu lernen.«
»Ich glaube, auch dort wart Ihr eine gute Lehrmeisterin.«
»Wartet nur ein wenig ab, dann werdet Ihr begreifen, dass ich noch nicht einmal richtig begonnen habe.«
Bren betrachtete Kirettas Haken. Das Silber glänzte matt in dem wenigen Licht, das die Nacht bot. Tatsächlich wusste er, dass Lisanne recht mit dem hatte, was sie über die Liebe sagte. Letztlich hatte Helions Liebe sogar dazu geführt, dass er jetzt mit Lisanne in dieser Nacht stand. Ohne sie hätte er Lisanne nicht angegriffen. Ohne diesen Angriff wäre Lisanne dem Paladin nicht verfallen. Ohne Lisannes Anhänglichkeit hätte sie den S CHATTENKÖNIG nicht erzürnt, E R hätte sie nicht verbannt, sie wäre nicht hinter den Seelennebel geflohen. Bren hätte sie nicht zurückgebracht, er hätte Helion nicht erschlagen, wäre nicht zum Lohn dafür in die Schatten geführt worden. Und Lisanne hätte keinen Grund gehabt, Kiretta zu zerstören, um Bren zu verletzen. Nun, am Ende dieser Reise, war alles, was Bren als Mensch angestrebt hatte, verloren oder schal geworden. Seine Liebe zu Kiretta, der Ruhm der Schlachtfelder, die Kunstfertigkeit mit dem Schwert. Wenn jemandem nichts mehr von Bedeutung war, dann wurde er selbst bedeutungslos. Bren verstand jetzt gut, warum manche Unsterbliche einfach verwehten, dahingingen und selbst noch nicht einmal Bedauern darüber empfanden. Allein der Hass auf Lisanne brannte noch heiß in ihm. Wenn dieses Feuer erlosch, würde seine Seele erkalten.
»Ihr sollt Euch an Kiretta erinnern, wann immer Ihr in einen Spiegel seht.«
Ihre Lider zitterten, aber dann nickte sie und stellte sich aufrecht vor ihn. »Treibt Euer kleines Spiel, wenn das der Preis des Schweigens ist.«
Bren ließ sich Zeit dabei, die Seite des Hakens an Lisannes Wange zu drücken. Ihr helles Fleisch warf schwarze Blasen, während die geschwungene Form hineinsank. Es würde sicher nicht lange offen klaffen, dafür war Lisanne zu mächtig. Aber eine Narbe würde bleiben. Ganz gleich, welche Salben sie darüberlegen würde, wäre diese Verletzung ihrer Schönheit eine Lektion, die sie keinen Augenblick vergäße. Wen auch immer sie in den kommenden Jahrhunderten und Jahrtausenden träfe – er würde wohl noch immer von ihrem Charisma niedergedrückt werden. Aber die Perfektion ihres Gesichts war dahin. Auch für jene, die sie kannten, würde Lisannes Makellosigkeit ab jetzt nur noch Erinnerung sein.
Bren betrachtete sein Werk. Dann kniete er vor Lisanne nieder. Ihr gebührte Respekt, denn sie war eine Schattenherzogin.
Vor G ERGS Thron trug Lisanne einen ausgefallenen Hut, der mit breiten Seidenbändern unter dem Kinn befestigt war. Seidenbändern, die Brens Werk verdeckten. Wenn dieser Kopfputz den S CHATTENKÖNIG verwunderte, sagte E R nichts dazu.
Stattdessen rief E R Bren vor seinen Thron. »Ich bin zufrieden mit dir«, verkündete E R den versammelten Edlen Ondriens. »Mit deinem Sieg in einem Krieg, der unseren Verbündeten zeigte, welche Existenz ihnen angemessen ist«, E R sah zu Ilion und Anoga hinüber, »hast du bewiesen, dass du dir anvertraute Aufgaben zu erfüllen vermagst. Deswegen gefällt es mir, dir mehr Eigenständigkeit zuzugestehen. Von dieser Nacht an sollen die Chronisten Guardaja als Baronie verzeichnen, und du bist ihr Schattenbaron.«
Bren verneigte sich.
»Komm zu uns, Lisanne.« G ERG winkte. Hinter dem Thron kam Jittara hervor. In den letzten Wochen hatte sie Espera, die Fayéprinzessin, in ihrer Obhut gehabt. Jetzt führte sie das Mädchen dem S CHATTENKÖNIG zu.
»Lisanne, Bren, ihr beide habt mir gedient, wie ich es verlangt habe. Offensichtlich vermögt ihr gemeinsam viel zu erreichen. Darum sollt ihr auch gemeinsam dieses Kind als euer Mündel annehmen, es hüten, erziehen und beschützen«, E R sah das Königspaar der Fayé an, »solange es mir
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