Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
Anweisungen für den Fall meines Ablebens.«
»Ihr wärt nicht so töricht, so brisante Informationen unbeaufsichtigt zu lassen!«, rief Lisanne.
»Wollt Ihr es darauf ankommen lassen? Jugend ist töricht.«
Lisanne ballte die Fäuste und entspannte sie schließlich mit sichtlicher Willensanstrengung. »Gut, dass wir einander so wertvoll sind«, flüsterte sie. »In der Ewigkeit braucht man etwas, woran man sich festhalten kann. Ein starkes Gefühl. Unsere Liebe haben wir beide verloren. Geblieben ist nur der gegenseitige, innige Hass. Hass ist ohnehin verlässlicher als Liebe. Hass kann nie enttäuscht werden. Bedenkt, wie leer Ihr ohne ihn wärt.«
Bren erschienen Lisannes graublaue Augen kälter als der Nordwind. »Könnt Ihr Euch noch daran erinnern, einmal geliebt zu haben, Schattenherzogin?«
Ihre Hand zuckte zu dem Platincollier. Leise klickten die filigranen Krallen auf dem Rubin, als sie den roten Edelstein streichelte. Davon abgesehen war ihr Körper unbewegt wie eine Statue. Unter ihrem Gesicht dagegen schien etwas, das sehr tief aus ihr selbst kam, die Maske der Perfektion abwerfen zu wollen. Sie kämpfte es nieder. Wurde wieder zu der unsterblichen, allem Greifbaren enthobenen Schönheit. Aber ihre Stimme zitterte. »Ihr habt nicht den Hauch einer Ahnung, was Ihr mir genommen habt. Nach so vielen Jahrhunderten, die nur Kampf und Vervollkommnung kannten. Oh, ich sehe Euch an, dass Ihr glaubt, ich sei keine Kriegerin und verstünde nichts von Feldzügen. Aber in den Kämpfen, die ich meine, steht man gegen unsichtbare Gegner. Und es sind mehr, als man zählen kann.«
Sie wandte sich ab, bevor sie fortfuhr. Ihre Hand blieb an dem Rubin.
»Manche Dinge muss man von einem anderen hören, um sie zu begreifen, obwohl man sie selbst ständig erfährt. Helion hatte einen Marschall, Giswon. Ich kenne Helions Gedanken zu einem Gespräch zwischen den beiden. Von Giswon hat er gelernt, dass die Geschicke von Königreichen an Fürstenhöfen entschieden werden, nicht auf Schlachtfeldern. Das stimmt. Ohne G ERGS Befehl wäre ich nicht zu Euch nach Karat-Dor gekommen, es hätte keine Razzor gegeben, Akene wäre nicht gefallen.«
Bren wusste, dass sie die Wahrheit sprach. Das höfische Parkett war zweifellos das entscheidende Gelände für die Gefechte, die einen Osadro aufsteigen oder abstürzen ließen.
»Helion hatte ein so kurzes Leben. Er hat nie die Unsterblichkeit angestrebt. Im Gegenteil, er vertraute seinem Schwertrubin an, dass jeder ein Feind sei, der unsterblich sein wolle.«
»Er war ein Mondschwert.«
»Was wisst Ihr schon von ihm, Bren? Ihr seht die Rüstung eines Paladins und denkt, damit sei alles über einen Menschen gesagt. Aber Menschen sind vielfältig, und die meisten ihrer Facetten tragen sie in ihrem Innern, wo man sie nur mit Geduld entdecken kann. Das vergessen wir leicht, weil die meisten von ihnen so erbärmlich sind, dass sie nichts anderes verdienen, als uns zu Gefallen zu sein. Aber manchmal gibt es …«
»Was?«
»Helion war nicht so flatterhaft wie Eure Metze, Bren. Diese Kiretta war so schrecklich billig. Ihr werdet sehen, wie Tausende Bessere geboren werden und nach einiger Zeit wieder verrotten.«
Bren presste die Zähne aufeinander.
»Helion hat für ein höheres Ziel gelebt, eines, das über sein Leben, sogar seine Zeit hinauswies. Er wollte einen Unterschied machen in einem Krieg, den er schon verloren wusste. Indem er mich tötete. Das ist ihm beinahe gelungen, und damals, in den Katakomben von Guardaja, war es seine Lebenskraft, die mich rettete. Eine Ironie, nicht wahr?«
Ein dünnes Lächeln zierte ihre Lippen, als sie sich wieder zu Bren umwandte. »Es war kein Hass, der ihn gegen mich geführt hat. Es war der Wunsch, sein Volk von der Finsternis zu befreien. Das ist ein Unterschied. Der Wunsch zu bewahren, nicht zu zerstören. Das hat er selbst nicht vollständig erfasst. Er war kein Träumer, aber er erlaubte sich, das Gute zu genießen, das das Leben ihm gab. Er liebte das Essen und er liebte eine junge Frau. Ajina. Eine Freundin von Nalaji, die Eure Kiretta entführte. Seltsam, wie alles immer wieder zusammenfindet. Und seine Liebe zu Ajina war letztlich sein Verderben, damals, im Nachtschattenwald. Seine Liebe war zu stark. Ich habe niemals eine solche Liebe gespürt. Ich werde bewundert, wohin ich komme. Doch geliebt? Nein. Ahnt Ihr, wie viel Essenz ich genommen habe? Und wie viele Gefühle geschmeckt? Ich weiß mit Gewissheit, dass Ihr den Menschen
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