Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
womit man alles begründen kann, ohne den Beweis für die Richtigkeit antreten zu müssen.«
Beiläufig zog E R das Silberschwert aus dem Gehänge eines Büttels.
»Den Schatten zu trotzen ist kein Frevel. Es ist Dummheit.«
E R drückte die flache Seite der Klinge gegen Lukols Wange. Ein Wimmern zitterte von den Lippen des Gefangenen. Viele Osadroi zeigten ihr Unbehagen, indem ihre Augen schmal wurden, manche verschränkten die Arme. Obwohl Bren noch kein Silber berührt hatte, seit Xenetor ihn in die Schatten geführt hatte, fühlte auch er ein unangenehmes Ziehen im Zwerchfell. Sein untoter Körper hatte einen Instinkt dafür, was ihm gefährlich werden konnte.
»Hast du denn keinen Verstand, Lukol? Bist du noch ein Kind? Aber nein – jedes Kind weiß, dass nichts und niemand gegen die Schatten zu bestehen vermag.«
E R benutzte die Schwertspitze, um Lukols Wange zu ritzen. Brens übermenschlich scharfe Augen sahen eine feine Rauchfahne emporkräuseln. Lukol stöhnte.
»Das tut dir doch nicht weh, oder? Das bisschen hältst du doch nicht für Schmerz?« E R wandte sich an einen der Büttel. »Hilf meinem getreuen Diener Lukol. Halte seinen Kopf fest, damit er nicht zuckt.«
Untote Hände legten sich auf Kinn und Hinterkopf, ein Griff, den Bren schon angewandt hatte, um ein Genick zu brechen. Das hätte allerdings bei einem Osadro kaum einen Effekt gehabt. Im Gegensatz zu der Silberklinge, mit der G ERG nun durch die Wange stach und langsam wie ein Liebhaber, der vorsichtig den Körper der Geliebten erkundete, einen Zahn aus dem Oberkiefer brach.
G ERG wartete, bis Lukols Schreie leiser wurden. »Mir scheint, du gehst kaputt«, sagte E R dann. »Aber auch das schmerzt kaum. Was sind schon ein paar Wunden, ein paar Zähne oder Knochen in deinem unwerten Körper? Nur Tand. Was dich betrübt, ist doch, dass du mich enttäuscht hast, Lukol.«
»Ja!«, schrie er. Seine Stimme hatte einen merkwürdigen Klang, wohl wegen der offenen Wange. »Ich bereue! Ich will nicht mehr ungehorsam sein! Ich knie in E UREM Schatten!«
G ERG wandte sich von ihm ab. Das Schwert lag so locker in S EINER Hand, als wolle E R es jeden Moment fallen lassen, während E R durch den Thronsaal schritt und die Osadroi betrachtete. Dann aber, nahe dem Eingang, blieb E R stehen und hob die Klinge an.
»Das Silber funkelt wie Silions Licht. Man kann seinem Glanz erliegen. Jedenfalls, wenn man schwach ist. Oder wenn man vergisst, was es anzurichten vermag.«
Selbst Brens unsterbliche Augen sahen nur einen verwischenden Schemen, so schnell bewegte sich G ERG zurück zu Lukol. Dessen Schrei ließ Brens Knochen erzittern, noch bevor er den Anlass dafür erkannte. Ein Streifen Blut verdunkelte die Silberklinge. Weiteres sickerte träge aus Lukols Schulter, besudelte das schwarze Gewand. Als der Schrei zu einem Wimmern sank, starrte Lukol unverständig auf den abgetrennten linken Arm, der tot neben ihm auf dem Boden lag.
»Wunden, die nicht heilen. Hast du das vergessen, als du das Silber an die Menschen verschachern wolltest?«
Ein Raunen ging durch die Menge. Seit dem Silberkrieg waren alle Vorkommen des Mondmetalls in der Hand der Schatten. Was die Ondrier an Silbergegenständen bekommen konnten, wurde schwer bewacht – egal, ob es sich um Geschmeide oder Waffen handelte. Bei jeder Stadt, die Bren erobert hatte, war größte Aufmerksamkeit darauf verwandt worden, alles Silber aus den Häusern zu reißen. Für diese Aufgabe kamen sogar Osadroi an die Front und spürten das Mondmetall mit ihren Zaubern auf. Auch Guardaja, Brens Feste, schützte ein Tal mit Silberminen.
»Wozu braucht ein Verräter zwei Arme?«, fragte G ERG . »Jetzt, wo ich darüber nachsinne … Wozu braucht er überhaupt einen Arm?« Den Schlag, mit dem E R die zweite Schulter durchtrennte, führte E R so langsam, dass Bren der Bewegung folgen konnte. Dann ließ E R das Schwert fallen.
Die Menge verstummte.
G ERG legte die Hände seitlich an Lukols Kopf und hob dessen Gesicht an, sodass sie sich in die Augen sahen. »Die Verdammnis kann ewig dauern, aber auch jeder Augenblick der Verdammnis kann eine Ewigkeit sein. Ich verdamme dich, Lukol! Hörst du? Ich, dein Schattenkönig, verdamme dich!«
Finsternis waberte aus G ERGS Händen. Es war das erste Mal, dass Bren eine solch intensive Manifestation mit seinen neuen Sinnen erfasste. Als Mensch sah man nur Flächen, die schwärzer waren als schwarz – die unvollkommene Deutung eines begrenzten Verstands für etwas
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