Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
weniger schlimm als jene, die sich in Organen und Gedärmen verfingen. Bren spürte den Drang, sich zu übergeben, gestattete seinem Körper aber nicht, ihm zu folgen. Das war ohnehin nur eine Erinnerung an seine Zeit als Lebender.
Er musste mit der Linken hinter seinem Rücken tasten wie jemand, der ein verlorenes Schmuckstück in trübem Wasser suchte, bis er die Lanze zu fassen bekam. Sie war klebrig von seinem Blut. Mit der Rechten griff er in die Bauchwunde, schob dort nach, während er hinter dem Rücken zog. Knirschend löste sich das Holz aus seinem Körper.
Heftig atmend brach Bren zusammen, stützte sich mit einer Hand auf der Rüstung seines Gegners ab. Der Ritter war noch nicht tot, er konnte das Leben in ihm noch fühlen, aber seine Gedanken lösten sich schon aus der greifbaren Welt und damit auch von Bren. Das war schlecht. Die Gefühle mussten sich auf die Schatten richten, damit sie als Brücke für die Lebenskraft taugten.
»Heh!«, schrie Bren. Er fasste vor den Sichtschlitz des Helms, drehte die zylindrische Konstruktion nach links und nach rechts. »Hier bin ich! Ich bin dein Untergang, dein Tod, derjenige, der dein Leben raubt! Und ich werde das Schwarze Heer nach Süden führen, bis nach Milir! Ich werde das Leben der Deinen trinken, deiner Frau, deiner Kinder!«
Das entfachte die Angst genug, damit Bren die Essenz wieder zu fassen bekam. Er rief sie, so stark er konnte. Er spürte, wie die Holzsplitter aus seinem Bauch gedrückt wurden, wie die zerrissenen Darmschlingen wieder zueinanderfanden, die zerstörte Leber zumindest ungefähr wieder ihren Platz einnahm. Zu mehr reichte das Leben nicht, das noch in dem Mann war. Die Wunde blieb offen, träge nässte dunkles Blut heraus.
Bren stand schwankend, als Dengor und die Handvoll Gardisten, die die Schlacht bisher überlebt hatten, zu ihm eilten. »Unsere Sache ist verloren, Herr!«, meldete Dengor. »Wir müssen uns zurückziehen!«
Bren sah sich um. Die weißen Geisterköpfe waren überall um sie herum, fuhren in dichte Reihen von Pikenieren und rissen ihre Opfer in die Höhe, um sie in wahnsinnigen Schreien wieder zu Boden stürzen zu lassen. Dämonische Kreaturen, schwärzer als die Nacht, brachen aus dem Boden, wimmelten um die Füße der Krieger, begruben sie unter sich. Sogar Fayé waren jetzt zu sehen, in ihrer seltsamen Kleidung aus lebendem Blattwerk, die sich ihrem Träger anpasste und fest war wie Kernleder. Sie boten einen merkwürdigen Anblick, wenn sie mit den zwei Ellbogengelenken an jedem Arm die übergroßen Bögen spannten. Merkwürdig und tödlich. Trotz des Sturms fanden viele ihrer Pfeile ihr Ziel.
»Herr, die Osadroi müssen in Sicherheit gebracht werden!« Dengor wagte, ihn an der Schulter zu fassen.
Bren sah ihn an.
»Herr, Ihr seid unsterblich. Euch bleibt eine Ewigkeit, um diese Niederlage zu rächen. Aber für die heutige Nacht ist dieses Feld verloren.«
Abwesend nickte Bren und ließ sich in den Sattel heben.
K RIEG
D ie Holzschwerter knallten aufeinander. General Zurresso war zu ungeschickt, um die Wucht abzulenken, die in Brens Hieb lag. Er nahm sie voll entgegen, sodass sein schwabbeliger Arm sie in den Rumpf übertrug und auch das Kinn, dessen Fettringe vierfach über den Riemen seines Helms hingen, auf und nieder schwappte. Andere Kämpfer klagten darüber, dass die Ritzen ihres Visiers so eng seien, dass sie ihre Sicht behinderten. Das wäre eine Sorge, die Zurresso kaum teilen würde. Seine Lider waren so fett, als hätte ihm jemand das Gesicht mit Faustschlägen massiert. Bren wunderte sich, dass der Mann überhaupt etwas sah.
Der Kampf war ebenso unbefriedigend wie sein Gegner. Um als Kämpfer zu wachsen, brauchte man gleichwertige Kontrahenten. Diesem hier hätte Bren schon mit acht Jahren den Wanst aufgeschlitzt. Die größte Leistung, die der General bisher vollbracht hatte, bestand darin, dass er das Übungsschwert am richtigen Ende angefasst hatte. Seitdem hatte er es ein Dutzend Mal verloren. Seine langsamen Angriffe hätten nicht einmal als Aufwärmübungen getaugt. In ganz Guardaja war keine Rüstung aufzutreiben gewesen, in die der General gepasst hätte. Daher trug er das Paradestück, das er wohl auch sonst anlegte. Es bestand aus schwarzem, gehärtetem Leder, das beinahe unter den vielen Goldapplikationen verschwand. Sie zeigten fauchende Raubtiere und nackte Frauen. Bis heute hatte Bren den General der südlichen Dunkelheit nur vom Namen her gekannt. Da sie nun an derselben Front
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