Herr Lehmann: Herr Lehmann
Regen auf, wenn es Blasen schlagt", versuchte Herr Lehmann das Gespräch zu beginnen. Kristall-Rainer reagierte nicht. Herr Lehmann zog ihn vorsichtig am Armel. „Sag doch mal, ehrlich jetzt, wieso hört der Regen auf, wenn es Blasen schlögt?"
Kristall-Rainer schaute ihn an. Marko stellte derweil die Getränke auf den Tresen. „Geht auf Erwin", sagte Herr Lehmann ohne hinzuschauen. Marko sagte irgend etwas uber Erwin und seinen Deckel, aber Herr Lehmann kuömmerte sich nicht darum. Er schaute Kristall-Rainer in die Augen und war sich nicht sicher, ob der ihn uöberhaupt wahrnahm. Scheint ja echt was dran zu sein."
Kristall-Rainer grinste, es war etwas Maskenhaftes daran, so als ob er lange öberlegt hatte, bevor er sich ausgerechnet för ein Grinsen entschied. „Hat meine Oma immer gesagt."
„Ja, die Omas", sagte Herr Lehmann, „die haben immer so Sachen drauf."
„Wenn's Blasen schlagt, dann hört's bald auf, hat sie immer gesagt." Kristall-Rainer lachte trocken. „Ist doch logisch warum", fugte er hinzu.
Warum denn?"
Kannst du dir das nicht denken?" fragte Kristall-Rainer.
Nein" , sagte Herr Lehmann und fand die Frage angesichts von KristallRainers Zustand etwas frech. Erwin hat recht, dachte er, nicht wegen der Zivilbullengeschichte, aber man sollte ihn nicht unterschatzen.
„Wenn es lange regnet, dann bilden sich Pfutzen", sagte Kristall-Rainer, und Herr Lehmann fiel auf, daß er nie lallte, obwohl er immer Ünmengen von Weizenbier intus haben mußte, und er erwischte sich selbst bei dem voöllig abseitigen Gedanken, daß es vielleicht bloß die Zitrone war, die einen zum Lallen brachte. Das, dachte Herr Lehmann, ist der duömmste Gedanke, den ich in den letzten zehn Jahren gehabt habe. Vielleicht aber, blieb er gedanklich auf der schattigen Seite, schuöttet er das Weizen immer heimlich weg. Ich darf nicht wie Erwin denken, rief er sich selbst zur Ordnung, sonst bringt das hier nichts.
„Es kann nicht Blasen schlagen, bevor nicht Pfutzen da sind", fuhr KristallRainer fort. „Das ist doch logisch. Ünd wenn es so lange geregnet hat ..." -er legte eine Kunstpause ein und nahm einen Schluck von seinem Weizenbier, wobei er sich etwas besabberte - „ ... daß es Pfutzen gibt, dann hört es eben bald auf."
„Ah ja", sagte Herr Lehmann. Er hatte etwas Ausgefalleneres erwartet.
Es kann aber nur Blasen schlagen", wandte er ein, wenn richtig dicke Tropfen fallen. Ich meine, wenn es nur nieselt, dann können da Pfutzen sein, wie sie wollen, aber es schlögt trotzdem keine Blasen. Vielleicht liegt es daran. Vielleicht ist eine bestimmte Tropfendicke oder -schwere dafur verantwortlich, daß es Blasen schlögt und gleichzeitig wettermaßig ein Indiz dafur, daß es bald aufhört."
Keine Ahnung" , sagte Kristall-Rainer.
Herr Lehmann war enttauscht. Kristall-Rainer bringt nicht die theoretische Leistung, dachte er, erst wird er frech, und dann macht er schlapp. Schließlich hat er mit diesem Blasenscheiß angefangen, dachte Herr Lehmann, da kann er doch jetzt nicht einfach aufgeben.
„Was bist du eigentlich von Beruf?" wechselte er das Thema.
„Wieso?"
„Du bist nicht bei der Polizei, oder?"
Kristall-Rainer war nicht uberrascht, er schaute bloß an Herrn Lehmann vorbei ins Dunkel der Kneipe.
„Nein", sagte er nach einer ganzen Weile.
„Was machst du denn so?"
„Informatiker." Kristall-Rainer betonte jede Silbe, als er das sagte, so als musse er sich erst erinnern.
Das, entschied Herr Lehmann sofort, ist wahr. So etwas, dachte er, denkt man sich nicht aus, wenn man etwas zu verbergen hat. Er konnte sich nichts Langweiligeres, Abseitigeres, Oderes, Unglamouröseres vorstellen, als Informatiker zu sein.
„Ich heiße ubrigens Frank", sagte er und hob eine der Bierflaschen, die vor ihm auf dem Tresen standen.
„Rainer", sagte Kristall-Rainer und lächelte dabei so herzlich und erfreut, daß Herr Lehmann sich ganz schöbig vorkam. Sie stießen an. Rainer hatte kaum noch was in seinem Glas. Gut, daß jetzt keine Zitrone drinliegt, dann schmeckt der letzte Schluck so sauer und man hat Obst im Mund, dachte Herr Lehmann. „Willst du noch eins?" fragte er.
„Sag ich nicht nein", sagte Rainer.
„Noch ein Kristall", sagte Herr Lehmann zu Marko. „Ohne Zitrone."
„Genau", sagte Rainer.
„Geht auch auf Erwin", sagte Herr Lehmann zu Marko. Und zu KristallRainer: „Ich muß dann mal wieder ..." Er deutete unbestimmt auf die Ge-trönke und die Töte Kartoffelchips. „Da zu den Jungs röber
Weitere Kostenlose Bücher