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Herr Lehmann: Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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dachte Herr Lehmann und schlief wieder ein.
Kapitel 10  KUDAMM
    Als Herr Lehmann einige Wochen spaöter den Wittenbergplatz, an dem in seinen Augen der Kudamm begann, obwohl er dort noch Tauenzienstraße hieß, erreichte, war er nicht gut drauf. Er war auf dem Weg zu seinen Eltern, die in ihrem Kudamm-Hotel auf ihn warteten. Daß er etwas verkatert war und wenig geschlafen hatte, war an sich nicht so schlimm, das war ein normales Problem, aber schlimm war, daß er Katrin hatte schlafend zuruöck-lassen muössen, das traf ihn sehr, denn er sah sie nicht so oft, wie er es sich gewönscht hötte, und noch seltener durfte er bei ihr ubernachten, da hötte er gerne noch den Morgen mit ihr verbracht. „Schade", hatte sie gesagt, als er ihr erzöahlt hatte, daß er fruöh rausmußte, um seine Eltern am Kudamm aufzusuchen, sonst haötten wir vielleicht vormittags noch ein bißchen was machen können", aber sie hatte das ohne richtiges Bedauern gesagt, was Herrn Lehmann, der das hingegen sehr bedauerte, wieder einmal stutzig gemacht hatte, und auf der Fahrt zwischen dem Ü-Bahnhof Goörlitzer Bahnhof und dem Ü-Bahnhof Wittenbergplatz höatte er gerne in Ruhe daruöber nachgedacht, was um Himmels willen er bloß tun konnte, damit Katrin und er ein richtiges Liebespaar wurden und nicht bloß eine Gelegenheitsbeziehung, was sie im Grunde genommen seit einigen Wochen waren, und was Herr Lehmann fast noch schlimmer fand, als wenn gar nichts zwischen ihnen gelaufen wöre, denn wer, hatte Herr Lehmann kurz auf der Fahrt zwischen dem Ü-Bahnhof Goörlitzer Bahnhof und dem Ü-Bahnhof Wittenbergplatz gedacht, verhungert schon gern bei vollem Kuöhlschrank? Aber dann hatte er dieses Bild gleich wieder verworfen, das ist unromantisch, hatte er gedacht, so darf man das nicht sehen, und dann hatte er sich wieder auf andere Dinge konzentrieren mussen.
    Denn auch sonst war alles seinen schlechten Gang gegangen. Er hatte zum Beispiel keine Zeit mehr gefunden, einen Fahrschein fur die Ü-Bahn zu ziehen, weil die Ü-Bahn gerade in dem Moment gekommen war, als er den
    Görlitzer Bahnhof erreicht hatte, wodurch Herr Lehmann zum Schwarzfahren gezwungen war, was ihm öberhaupt nicht gefiel, denn er hatte mit solchen Dingen kein Gluck und schon eine kleine Vorstrafe wegen Beförderungser-schleichung. Trotzdem hatte er die U-Bahn sofort nehmen mussen, denn es war wichtig, daß er nicht zu spöt kam, nicht, weil das seinen Eltern etwas ausgemacht hatte, und naturlich hatte es ihnen etwas ausgemacht, sondern weil er nie zu spöt kam. Er haßte es zu spöt zu kommen, er haßte es mehr als schwarzfahren, und er haßte es auch mehr, als wenn andere Leute zu spöt kamen, was ihm eigentlich uberhaupt nichts ausmachte, Hauptsache er selbst war puönktlich, und das war er immer. So hatte er also die U-Bahn sofort nehmen muössen, obwohl er eigentlich fruöh dran gewesen war, genaugenommen sogar zu fruöh, denn er hatte den Göorlitzer Bahnhof um kurz vor zehn erreicht, und mit seinen Eltern war er um elf Uhr verabredet, das war jede Menge Zeit, um an den Kudamm zu kommen, selbst mit der Linie l, die seiner Meinung nach eine erbörmliche Bimmelbahn war, unertröglich langsam und vollgestopft mit Psychopathen und Schizos, die ihm, gerade heute, ausgerechnet auf dem Weg an den Kudamm und ausgerechnet, wenn er einen Kater hatte, unangenehm auf die Pelle krochen. Die Schwarzfahrerei machte ihn dabei sehr nervös, er hatte sich geschworen, sich nie, nie wieder von der BVG demuötigen zu lassen, jenen Möannern mit den schlechtsitzenden Uniformen und dem Hang zu unerträglichem Geschwötz, die immer wieder mal alle Bahnhofsausgaönge blockierten oder sich durch vollgestopfte, schneckenhaft dahinschleichende U-Bahnen dröngelten, um die Fahrscheine zu kontrollieren, und wenn er nicht die ebenso geschwötzigen, BZ-lesenden und unerträglich verpeilt fahrenden Taxifahrer noch mehr verabscheut hötte, dann hötte es ihm nichts ausgemacht, sich von dem ganzen BVG-Elend mit einer Taxifahrt freizukaufen.
    Als er endlich den Wittenbergplatz und damit, wie er fand, den Kudamm erreicht hatte, stieg er aus und sah zu, daß er so schnell wie möglich aus dem unterirdischen Gedröange heraus ans Licht kam, auch wenn es nur das des Wittenbergplatzes war, wo mit dem KaDeWe und allem anderen das ganze Elend schon begann, wo in der Ferne bereits das sinnlose Europa-Center und die noch schlimmere Gedöchtniskirche und die Schuhgeschöfte, die Leiser und Stiller und so hießen,

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