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Herr Lehmann: Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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voranzukommen als der Rest der Welt, der sich vollzaöhlig, wie es Herrn Lehmann schien, auf dem Tauenzien versammelt hatte, um ihm mit seiner trantuötigen Bummelei auf den Wecker zu gehen. Der Schweiß brach ihm aus, und er fluchte leise vor sich hin, als er zwischen seinen Mitmenschen hin- und herhupfte, schlendernden Touristengruppen auswich, die glotzend und schwatzend und immer mindestens zu siebt nebeneinander die Straße versperrten, Rentnerinnen in Pelzmaönteln umkurvte und in riesige, unberechenbare Gruppen Jugendlicher hineinstolperte, die plöotzlich stehenblieben oder die Richtung wechselten, wenn er gerade versuchte, sie zu uöberholen. Solche Jugendliche gab es viele, und Herrn Lehmann fiel trotz aller Eile doch auf, daß die meisten eine Art sportlicher Einheitskleidung trugen, mit der Aufschrift „Deutsches Turnfest 1989 Berlin" auf dem Röcken, ein Ümstand, der seine Laune nicht gerade verbesserte. Wenn die so turnen, wie sie zu Fuß gehen, dachte er grimmig, dann gute Nacht, deutsches Turnfest, dann laß dich zuscheißen, deutscher Turnsport, dachte er, die fallen doch alle vom Stufenbarren, die koönnen ja nicht einmal Bockspringen, die sind ja alle auf Pille, die sind ja gedopt, bloß falsch herum, dachte Herr Lehmann. Als er den Breitscheidplatz erreicht hatte, wo sich das ganze „Kudamm-Gesummse aus Touristen und Naziwitwen" , wie Herr Lehmann es in sich hineinmurmelnd nannte, mit den Junkies, die dort gerade Saison hatten, vermischte, war er schon komplett mit den Nerven fertig.
    So geht das nicht, dachte Herr Lehmann, das muß aufhöoren. Ich muß den Bus nehmen, dachte er, da wird man ja sonst zum Massenmorder. Er fand einen Kiosk, kaufte sich Zigaretten und rauchte erst einmal eine. Auf diese Weise hatte er Kleingeld und konnte außerdem, während er rauchte, was ihm schon nicht mehr so schwer von der Hand ging wie vor vier Wochen, als er bei Katrin damit angefangen hatte, in Ruhe an Katrin denken und daran, wie gut es doch trotz allem mit ihr war oder jedenfalls werden konnte oder was auch immer. Er hatte sie beim Weggehen gekößt, und sie hatte im Schlaf ein zufriedenes, grunzendes Geräusch von sich gegeben, als er das tat. Das hatte ihm Mut gemacht. Ein Kaffee ware jetzt gut, dachte er, sah aber nirgendwo eine realistische Moglichkeit, schnell einen zu bekommen. Es war schon funf nach halb elf, als er die Zigarette austrat, und er stellte sich am Breitscheidplatz an die Bushaltestelle. Diesmal ging beim Einsteigen alles glatt, und er bekam seinen Kudamm-Fahrschein.
    Der gilt aber nur bis Adenauerplatz" , konnte der Fahrer sich nicht verkneifen ihm hinterherzurufen.
    Ja, ja" , sagte Herr Lehmann grantig und ließ sich nicht provozieren, obwohl er gerne hinzugefugt hatte, daß das ein verdammter Etikettenschwindel war, denn der Kudamm ging nach dem Adenauerplatz natörlich noch weiter, und wieso hieß das Scheißding dann Kudamm-Ticket oder wie auch immer, das hätte er sagen können, aber das war ihm jetzt alles Wurst. Ünten war der Bus proppenvoll, also ging Herr Lehmann nach oben, wo er gebuckt laufen mußte auf der Suche nach einem freien Platz, den es aber nicht gab, und wo ihm öberdies schlecht wurde von dem Geschaukel, denn der Bus war losgefahren. Herr Lehmann wußte, daß das Stehen auf dem Oberdeck nicht erlaubt war, deshalb ging er durch bis zur hinteren Treppe, die nach unten fuhrte, auf der aber auch schon Leute standen. Herr Lehmann mußte oben in geböckter Haltung warten, bis der Bus an der Joachimsthaler Straße hielt und er endlich weiter nach unten gehen konnte, wobei er von den nachdröngelnden Leuten gleich mit nach draußen gespölt wurde. Er wartete dort, bis alle ausgestiegen waren und ging dann wieder in den Bus hinein.
    „Sie da, vorne wird eingestiegen", kam eine Stimme aus dem Buslautsprecher. Herr Lehmann konnte es nicht fassen.
    „Ich fahr nicht weiter", tonte es aus dem Lautsprecher, „vorne wird eingestiegen."
    Herr Lehmann, dem jetzt alles egal war, stieg wieder aus, ging nach vorne und stellte sich an. Als er beim Einsteigen dem Fahrer sein Kudamm-Ticket zeigte, schuttelte der den Kopf.
    Der gilt nur einmal" , sagte er.
    „Aber ich hab den doch eben bei Ihnen gekauft."
    „Weiß ich nicht."
    Ich bin doch eben nur kurz ausgestiegen, um Platz zu machen. Ich bin doch hier in dem Bus gewesen, ich meine, ich hab den doch gerade eben bei Ihnen gekauft."
    „Kann ja jeder sagen. Eine Mark."
    Herrn Lehmann reichte es jetzt. Es mussen, dachte er

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