Herr Lehmann: Herr Lehmann
nicht."
„Ünd da hast du dich so abgehetzt? Ünd du riechst auch ein bißchen."
Seine Eltern waren nicht im Fruöhstuöcksraum, was irgendwie auch einen Sinn ergab, denn sie waren ja erst diesen Morgen losgefahren. Statt dessen saßen sie im Mantel, sein Vater sogar mit Hut, im Foyer des Hotels in einer Rattan-Sitzgruppe mit bunten Kissen und wirkten so verloren wie zwei Fluchtlinge, die nicht wissen, ob noch ein Zug nach Westen geht. Herr Lehmann hatte sie schon lange nicht mehr gesehen, er mußte erst nachdenken, wann das war, das letzte Weihnachten hatte er ausgelassen, es war wohl der sechzigste Geburtstag seines Vaters gewesen, das war anderthalb Jahre her.
Habt ihr eine gute Fahrt gehabt?"
Naja" , sagte sein Vater löachelnd. Herrn Lehmann fiel auf, daß er ganz grau geworden war. Aber das stand ihm gut. Außerdem hatte er abgenommen. Aber er sah mude aus. „Wie man's nimmt. Wir sind seit halb vier auf den Beinen."
Das hat aber auch gedauert", sagte seine Mutter. Bis die alle Leute eingesammelt hatten, erst in der Vahr, und dann durch ganz Bremen sind die gefahren, da mußten wir uberall mit hin, dabei ist doch bei uns gleich die Autobahn."
„Die Autobahn ist uberall", sagte sein Vater, „das ist nun auch egal, ob sie in der Vahr oder in Hemelingen oder in Sebaldsbruöck oder meinetwegen in Arsten auf die Autobahn fahren."
Sogar in Arsten mußten noch Leute einsteigen" , sagte seine Mutter, da sind wir sogar noch uber die Erdbeerbrucke gefahren. Ünd dann diese DDRPolizisten, das ist ja alles total schrecklich, was das gedauert hat. Daß die
einen kontrollieren duörfen . . . "
Vielleicht sollte ich uns mal einen Kaffee holen" , schlug Herr Lehmann vor. „Wollt ihr Kaffee?" Die beiden nickten.
„Fur mich mit Milch", sagte sein Vater.
Herr Lehmann ging zur Rezeption. Fruöher, dachte er, haötten sie keinen genommen. Im Leben nicht. Sie werden weich, dachte er und fragte die Frau an der Rezeption: Kann man hier einen Kaffee bekommen?"
Die Frau verneinte das, meinte aber, sie koönnte von nebenan einen kommen lassen. Herr Lehmann, dem die Frau sofort sympathisch war, weil sie mit dieser Antwort und auch sonst irgendwie so gar nicht an den Kudamm paßte, bestellte drei Kaffee und ging wieder zu seinen Eltern.
Du riechst aber wirklich schlimm" , sagte seine Mutter, als er sich wieder setzte.
Das tut mir leid" , sagte Herr Lehmann, der heute morgen nicht geduscht hatte und noch die Klamotten vom letzten Abend im Einfall trug, das muß am Schwitzen liegen. Ich mußte vorher auch noch ein bißchen arbeiten. Und da ging eine Menge schief auf dem Weg. Warum", wechselte er das Thema, sitzt ihr eigentlich hier im Foyer, ich meine, so ganz angezogen und so? Warum seid ihr nicht auf dem Zimmer?"
Das lohnt doch nicht" , sagte sein Vater und machte eine resignierte Handbewegung. „Und so toll ist das auch nicht."
„Na, na", sagte seine Mutter, „daför ist das nicht teuer. Die ganze Sache, hin und zuröck mit dem Bus und die Übernachtung, alles fur 100 Mark, das ist doch ein Wahnsinn. Und mit Stadtrundfahrt."
Die geht um zwoölf Uhr los" , ergöanzte sein Vater mit einem feinen Löacheln auf den Lippen. „Die mussen wir naturlich unbedingt mitnehmen."
„Fang nicht schon wieder an", sagte seine Mutter. „Das ist doch gönstig. Wenn wir schon mal hier sind, dann wollen wir ja auch mal was von der Stadt sehen."
Stadtrundfahrt?" fragte Herr Lehmann.
„Sag ich doch", sagte seine Mutter. „Das ist alles mit drin. Die geht drei Stunden."
Da seid ihr ja gleich wieder weg" , sagte Herr Lehmann, der nicht genau wußte, ob er erleichtert oder empoört sein sollte.
Ich dachte, du kommst mit", sagte seine Mutter. Das wöare doch eine prima Sache."
Naja", sagte Herr Lehmann, den es bei dem Gedanken schauderte. Stadtrundfahrt, also wißt ihr, das . . . "
„Er kennt das doch schon alles", fiel ihm sein Vater ins Wort. „Er wohnt doch schon so lange hier. Ich wurde doch auch keine Stadtrundfahrt in Bremen mitmachen."
„Wieso nicht, das kann doch interessant sein."
Also ich weiß nicht", sagte Herr Lehmann, der bei dem Gedanken, in einem Doppeldeckerbus durch die Stadt zu schaukeln und den Checkpoint Charlie und dergleichen zu besuchen, die Panik bekam, das ist doch eher fär Touristen und Besucher und so."
„Nun laß ihn mal", sagte sein Vater, „das braucht er doch nicht."
Aber wir koännen doch mal was zusammen machen" , sagte Herrn Lehmanns Mutter hartnäackig.
Herr Lehmann sah sie an und
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