Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr Lehmann

Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
Vom Netzwerk:
nicht der Tag, ausfallend zu werden, dachte er, ich hätte niemals aufstehen und ans Telefon gehen dürfen, das und das Schnapstrinken, das waren die Fehler, dachte Herr Lehmann.
    “Jetzt setz dich einfach mal hin”, sagte Heidi, faßte ihn an den Schultern und drückte ihn zurück auf den Stuhl. Darum kümmer ich mich selber”, fügte sie, an das dürre Mädchen gewandt, hinzu. Herr Lehmann, den das alles irgendwie an die Notaufnahme des Urbankrankenhauses erinnerte, in der er mal wegen einer akuten Nebenhodenentzündung vorgesprochen hatte, war Heidi sehr dankbar.
    “Wie geht’s denn so, Herr Lehmann? Willst du was trinken?”
    “Weiß nicht. Erst mal ein großes Glas Leitungswasser.”
    “Du siehst ganz schön mitgenommen aus, Herr Lehmann.”
    “Schön, daß du das sagst, Heidi. Aber die Kombination aus Herr Lehmann sagen und duzen ist das Übelste, was es gibt. Es gibt nichts Schlimmeres, außer vielleicht Nebenhodenentzündung. ”
    “Hast du eine Nebenhodenentzündung?”
    “Nein, Heidi, nein. Ich habe keine Nebenhodenentzündung. Ich habe Durst.”
    “Du hast einen Kater, Herr Lehmann. Immer wenn du einen Kater hast, bist du nicht zum Aushalten. Ich schick dir mal Karl.”
    “Denk an das Wasser.”
    Kurz darauf kam sein bester Freund Karl mit einem Weizenbierglas voll Leitungswasser.
    “Das sieht ja ekelhaft aus”, sagte Herr Lehmann. War das Glas auch richtig sauber?”
    “Okay”, sagte sein bester Freund Karl, was willst du lieber trinken?”
    “Weiß nicht. Pfirsichsaft?”
    “Haben wir nicht, Frank, das ist der einzige Saft, den wir aus irgendeinem Grund nicht haben. Und du weißt das.”
    “Ja nun, dann weiß ich auch nicht …”
    “Frank, komm schon, hier ist die Karte, willst du einen Kaffee?”
    “Nee, hab ich schon zu Hause so viel von getrunken, lieber irgendwas Erfrischendes. Irgendwie … Kirschsaft vielleicht?”
    “Bist du sicher, daß du Kirschsaft willst?”
    “Naja, was weiß ich, also …”
    “Ich bring dir mal ein Bier.”
    “Aber nicht vom Faß, bloß nicht vom Faß.”
    “Schon klar …”
    Sein bester Freund Karl brachte ihm ein Beck’s, setzte sich ihm gegenüber und seufzte. Herr Lehmann nahm einen vorsichtigen ersten Schluck und sah seinem besten Freund Karl dabei zu, wie er sich die Augen rieb. Plötzlich sieht er doch müde aus, dachte er, auf Dauer kann so etwas nicht gutgehen, dauernd durchmachen und so, auf Dauer fordert das Alter seinen Tribut, dachte er und nahm einen zweiten Schluck, worauf er merkte, daß er Hunger hatte.
    “Ich brauch keine Karte”, sagte er entspannt.
    “Was willst du denn?”
    “Schweinebraten”, sagte Herr Lehmann, der nie etwas anderes aß, wenn er in der Markthallenkneipe war.
    “Frank!”
    “Was denn?”
    “Frank, es ist elf Uhr. Kannst du nicht irgendein Frühstück bestellen, wie alle anderen auch?”
    “Frühstück”, sagte Herr Lehmann, der sich schon viel besser fühlte. “Frühstück das ist doch Quatsch ist das.”
    “Ich weiß. Nimm doch das amerikanische”, sagte sein bester Freund Karl, und es lag eine Erschöpfung in seiner Stimme, die es Herrn Lehmann dann doch leid tun ließ, daß er solche Umstände machte. “Das sind Spiegeleier mit Speck und Bratkartoffeln, das ist doch okay.”
    “Nee, danke.”
    “Manchmal könnte ich dich an die Wand klatschen, Frank, vor allem, wenn du einen Kater hast. Die Hütte ist gestopft voll, wir haben eine neue Frau an den Tischen, die nichts rafft, und außerdem noch eine neue Frau in der Küche, was meinst du, was die mir um die Ohren haut, wenn ich der jetzt mit Schweinebraten komme.”
    “Du hast Angst vor einer Frau in der Küche?”
    “Du kennst die nicht. Die hat sogar Koch gelernt. Richtig gelernt.”
    “Na und?”
    “Die kann man nicht einfach so rumschubsen …”
    “Wieso rumschubsen? Was hat Schweinebraten mit rumschubsen zu tun?”
    “Frank, stell dich nicht blöd.” Sein bester Freund Karl stand auf und grinste erschöpft. “Naja, mir soll’s egal sein. Ich schick sie dir raus, du kannst ja mal selber mit ihr sprechen.”
    Besorgt sah Herr Lehmann, der sich nun wünschte, er hätte die Eier genommen, obwohl es Frühstückskram war und man in seinem Alter, wie er fand, mit Cholesterin nicht vorsichtig genug sein konnte, seinem besten Freund Karl hinterher, wie er in die Küche wankte. Ich muß ein bißchen mehr auf ihn aufpassen, dachte Herr Lehmann, manchmal übernimmt er sich. Vielleicht sollte ich mal mit ihm reden und ihm sagen, daß er

Weitere Kostenlose Bücher