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Herr Lehmann

Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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im Ofen ist, und daß der noch eine Stunde braucht, und daß du bis dahin höchstens so ein Scheißfrühstück haben kannst wie die anderen Penner hier auch” - sie wedelte mit der Zigarette in der Luft herum, als wollte sie den ganzen Raum segnen, und alles was darin war, und außerdem erhob sie die Stimme, damit, wie es Herrn Lehmann schien, alle etwas davon hatten, diese ganzen Brötchenkauer hier mit ihrer Scheißwurst und ihrem Scheißkäse und dem ganzen Mist, der hier so über den Tisch geht, wenn ich dir also sage, daß du höchstens irgend so einen Quatsch haben kannst und daß, wenn du gerne Schweinebraten essen willst, du vielleicht um halb eins, wo ja, wie du zu wissen scheinst, das Mittagessen hier losgeht, du gerne noch einmal anklopfen kannst, aber ganz nett, und daß du dann vielleicht einen richtig guten Schweinebraten, wenn nicht gar den Schweinebraten deines Lebens haben kannst, bis dahin aber vielleicht sowieso zu besoffen bist, um das noch zu merken, wenn ich dir das sage, was sagst du dann, du …” - sie beugte sich vor und pustete Zigarettenrauch aus “… Klugscheißer?”
    ”
    Es verstrichen einige Sekunden, in denen Herr Lehmann sich entscheiden mußte, wie er weiter vorgehen sollte. Sollte er einlenken? Sollte er zugeben, daß sie recht hatte? Sollte er ein amerikanisches Frühstück bestellen? Sollte er einfach das Thema wechseln? Sie etwa fragen, ob sie über ihren schwarzen Haaren, die sie hinten zusammengebunden hatte, in der Küche auch eine Kochmütze trug? Andererseits: Sollte er sich wirklich widerstandslos als Klugscheißer bezeichnen lassen?
    “Zum Beispiel”, sagte er, “würde ich sagen, wenn ich denn gefragt werde, daß es hier sonntags um zehn Uhr losgeht, und daß die Küchenleute, zu denen du ja wohl gehörst, bestimmt schon um halb zehn hier sind, und daß, wenn du um halb zehn einen Schweinebraten vorbereitest, dieser Schweinebraten ja wohl um elf Uhr so weit fertig sein müßte, daß man ein Stück davon abschneiden kann, und scheiß auf die Kruste, ich nehm ihn auch ohne Kruste, und von Knödeln wollen wir gar nicht reden, Bratkartoffeln sind auch okay, und Bratkartoffeln habt ihr sowieso, die sind ja auch bei diesem amerikanischen Frühstück dabei, daß also der Schweinebraten schon so weit sein müßte, daß man ein Stückchen, es müßte ja nur das äußerste sein, für mich abschneiden könnte, egal, ob die Kruste noch nicht kroß ist, da scheiß ich drauf, ich finde sowieso, daß die Kruste überschätzt wird, daß man ein paar Bratkartoffeln dazutun könnte, Soße findet sich immer, und fertig ist das Gartenhäuschen, das würde ich sagen …”, auch Herr Lehmann beugte sich nun vor, … Klugscheißer, der ich nun mal bin!”
    Es folgte eine kleine Pause, in der sie ruhig und unbeeindruckt rauchte und ihn beobachtete. Herr Lehmann wünschte sich plötzlich, er würde auch rauchen. Vor allem aber wünschte er sich, er würde nicht einen solchen Unsinn daherreden. Das ist doch alles Quatsch, sie muß mich ja hassen, dachte er, ich würde mich jedenfalls hassen, wenn ich Koch wäre und mir jemand mit so einem Scheiß kommen würde, dachte Herr Lehmann.
    “Soso, auf die Kruste kommt es also nicht an”, sagte sie schließlich.
    “Nein, auf die Kruste kommt es nicht an.”
    “Dir nicht oder allgemein nicht?”
    “Allgemein ist mir egal.”
    “Gibt’s hier noch mehr von deiner Sorte?”
    “Nein.”
    “Na”, sagte sie, drückte ihre Zigarette aus und stand auf,“dann ist ja gut.”
    “Okay”, sagte Herr Lehmann, der nicht wollte, daß sie schon ging, dann warte ich noch ein bißchen. Ist ja sowieso bald halb eins.”
    “Ich kann natürlich auch einen halbfertigen Schweinebraten aus dem Ofen ziehen und verstümmeln. Weil wir so gute Freunde sind.”
    “Nein, nein, das muß nicht sein, ist nicht so wichtig.”
    “Was bist du eigentlich? So ‘ne Art Bundeskanzler, oder was?”
    “Schon gut, schon gut.”
    “Also mir ist das eigentlich scheißegal. Kann ich ja in Zukunft immer  machen. Demnächst gibt’s dann auch noch halbgekochte Kartoffeln für alle.”
    “Nein, wirklich, keine Umstände! Ich nehm erst mal noch ein Bier. Vielleicht lese ich auch eine Zeitung. Oder einen Kaffee.”
    Sie blieb noch kurz stehen. Ihre Blicke trafen sich und Herr Lehmann glaubte zu sehen, daß sie ihn nicht wirklich haßte, was ihn sehr erleichterte. Dann lächelte sie.
    “Trink nicht so viel”, sagte sie und tippte, als sie an ihm vorbeikam, ganz kurz mit dem

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