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Herr Lehmann

Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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Rücken sein als etwa Brustschwimmen, dachte er, am besten aber ist das Rückenschwimmen für den Rücken, das ergibt ja auch einen Sinn, schon durch das Wort, dachte er kraulend vor sich hin, aber dann schluckte er Wasser, stieß mit zwei, drei anderen Schwimmern zusammen, bekam einen Fußtritt und entschied, daß das alles Mist war. Er schwamm zurück zur Leiter und stieg wieder aus dem Wasser. Man muß seine Grenzen kennen und daraus die richtigen Schlüsse ziehen, dachte er, während er sich abtrocknete. Er sah auf einer großen Uhr, daß es schon zwanzig vor sechs war, strich sich die nassen Haare zurück und machte sich auf die Suche nach der schönen Köchin.
    Zunächst ging er dorthin zurück, wo er hergekommen war, zum Eingangsbereich mit den Umkleidekabinen. Dort stand er einige Zeit in der Hoffnung herum, sie ankommen zu sehen, und als ein Platz auf einer Bank frei wurde, von der aus man den Eingang gut beobachten konnte, setzte er sich erst einmal hin, bis ihm das nach einigen Minuten zu blöd wurde. Zum einen kamen dauernd Leute, setzten sich neben ihn, drängelten ihn gar zur Seite, bloß um sich die Füße abzutrocknen und sich dann ihre Socken und Schuhe anzuziehen, und zum anderen wurde ihm mit der Zeit klar, wie blöd das aussehen würde, wenn Katrin, ein Name, den er, nur um ihn auszuprobieren, leise vor sich hinmurmelte, ihn hier beim Hereinkommen sehen würde, wie einen kleinen Frank, der seine Mutti sucht, dachte er, auf einer blöden SchuheAnzieh-Bank sitzend. Dann, dachte Herr Lehmann grimmig, kann ich mir ja auch gleich ein Schild umhängen mit der Aufschrift: Bin nur wegen dir hier, warte wie ein Trottel. Also stand er auf, um ein bißchen durch die Gegend zu schlendern, was seiner Begegnung mit der schönen Köchin etwas Zufälliges, Beiläufiges geben würde, “Hallo, schön, daß du auch da bist” usw., so sollte es sein, dachte er, eine souveräne Begegnung von zwei freien Benutzern ein und derselben öffentlichen Einrichtung, deren Bekanntschaft noch frisch und deren gegenseitige Erwartungen ergebnisoffen waren, dachte er.
    Außerdem, dachte Herr Lehmann, als er wieder durch das Fußbecken in den Schwimmbereich stapfte, wo der Lautsprecher gerade durchsagte, daß der kleine Marco, etwa zwei Jahre alt, seine Mutti suchte und das Springen von der Seite des Beckens zu unterlassen war, ist es durchaus möglich, daß sie hier schon irgendwo ist, dachte er, während er am Sportbecken entlangschlendernd die vielen dort lagernden Leute absuchte und sich gleichzeitig fragte, was sie wohl anhaben würde, Bikini oder Badeanzug, wobei er insgeheim auf Badeanzug tippte, weil er das erheblich attraktiver fand und davon ausging, daß ihr das bei ihrer eher kräftigen Figur weitaus besser stehen würde als ein Bikini, den er immer schon für einen Modeirrtum gehalten hatte. Es kann ja gut sein, daß sie sich nach der Arbeit beeilt hat hierherzukommen, dachte er, es ist ja ungewöhnlich heiß und schwül für einen Septembertag, da legt man schon mal einen Zahn zu, sie könnte hereingekommen sein, als ich gerade im Becken war, dachte Herr Lehmann, während er so unauffällig wie möglich die flache Tribüne mit den darauf lagernden Leuten betrachtete. Dort gab es eine Menge sich sonnender Frauen mit bloßem Busen, und das hemmte ihn ein wenig, alles genau und gründlich abzusuchen, er wußte, wie schnell man sich den Ruf eines Spanners einhandelte, wenn man nach jemandem Ausschau hielt und einem dabei lauter Frauen mit nacktem Busen ins Blickfeld rückten, und außerdem erkannte er mit der Zeit immer mehr Kunden aus dem Einfall, im Grunde war seine Kund- und Trinkbekanntschaft vollständig anwesend, die ersten begannen schon, ihn zu erkennen, hoben die Hand zum Gruß, winkten sogar, was Herrn Lehmann mehr als peinlich war, er wollte eigentlich nicht, daß sie ihn in dieser unwürdigen Aufmachung sahen.
    Also ging er weiter, verließ hintenherum, am gesperrten Dreimeterbrett vorbei, das Sportbecken und drang in den Bereich des Nichtschwimmerbeckens und des Mehrzweckbeckens vor, obwohl er davon ausging, daß Katrin, die schöne Köchin, nicht der Typ war, der sich im Nichtschwimmeroder im Mehrzweckbecken verlustierte, wenngleich er sich wegen des Mehrzweckbeckens nicht ganz sicher war, so daß er weiterging, um einen Blick darauf zu werfen. Es ist immerhin möglich, dachte Herr Lehmann, daß sie das Mehrzweckbecken vorzieht, obwohl er vom Mehrzweckbecken nicht viel wußte, außer daß es existierte und

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