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Herr Lehmann

Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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einen bürokratisch anmutenden Namen hatte. Dieses Mehrzweckbecken lag links an der Seite und etwas höher, so daß es kaum einzusehen war, wenn man nicht direkt hinging, was Herr Lehmann, der dabei zwischen auf dem Steinfußboden lagernden Großfamilien hindurchbalancieren mußte, jetzt tat. Das Mehrzweckbecken selbst bot an seinen Rändern kaum Platz für lagernde Menschen, weil es von einer niedrigen Mauer eingefaßt war, und wer sitzt schon gerne auf Waschbetonplatten, dachte Herr Lehmann. Hier gab es nur noch Chaoten und Rentner, und beide machten sich das Leben schwer. Am anderen Ende war, durch ein Seil abgetrennt, ein Nichtschwimmerbereich, den konnte er sich wohl sparen, und dahinter begann der große Bereich der Liegewiesen, aber da würde sie wohl kaum sein, das paßt nicht zu ihr, dachte Herr Lehmann.
    Sie ist keine von denen, dachte Herr Lehmann, während er am unsym metrischen, großen Nichtschwimmerbecken vorbei in Richtung Gastro ging und dabei noch einmal die Schwimmer im rechts von ihm gelegenen Sportbecken überprüfte, die nach ein paar Schwimmzügen schlappmachten und sich auf die Liegewiese hauten, dachte er, durchstapfte ein Fußwaschbecken und stand plötzlich vor der Gastro, wo die Schlangen schon kürzer geworden waren, woraufhin er nach rechts abbog, um einerseits die Lage am Eingang noch einmal zu überprüfen und um andererseits ein bißchen Geld aus seiner Hose im Spind zu holen, denn die Gastro schien ihm hier der einzige Ort zu sein, wo er sich nicht fremd fühlen würde.
    Überhaupt ist das die Lösung, dachte Herr Lehmann, als er den UmkleiBebereich betrat, ich ziehe mich an und setze mich mit einem Kaffee draußen hin, dachte er, da kann ich den Eingangsbereich im Auge behalten, sehe nicht wie ein Neuköllner Badehosenfuzzi aus und kann, falls ich sie sehe, dachte er, einfach sagen, daß ich schon geschwommen habe und nur noch einen Kaffee nehme, das ist genial und nicht einmal gelogen. Und so tat er es, er zog sich an, sah noch einmal zum Eingang hinüber, wo sie aber auch jetzt nicht zu sehen war, und stellte sich dann bei der Gastro in eine Schlange.
    Die Frage ist bloß, dachte er, während er zwischen hippeligen Kindern stand, die sich dauernd vordrängelten und hin- und herhüpfend ihren Kram bestellten, Süßigkeiten zumeist, wobei es ihnen schwerfiel, sich zu entscheiden, sie zeigten mal auf dieses und mal auf jenes, kramten in dem Kleingeld, das sie fest in feuchten Fäusten hielten und rechneten unaufhörlich nach, es sind viele, dachte Herr Lehmann, und es werden immer mehr, das sind alles gute Freunde, und sie lassen sich gegenseitig vor, die Frage ist bloß, nahm er den anderen Gedanken wieder auf, wie ich sie treffen kann. Wenn sie zum Beispiel jetzt gerade hereinkommt und zum Sportbecken geht, dachte er, dann ist alles verloren, dann schwimmt sie da und geht wieder nach Hause, deshalb ist es dringend erforderlich, dachte er, daß ich so schnell wie möglich draußen einen Sitzplatz kriege, von dem aus ich den Eingang sehen kann.
    Glücklicherweise ist die Gastro an einem etwas erhöhten Punkt, beruhigte sich Herr Lehmann, während es in der Schlange nur schneckenhaft voranging, was ihn sehr nervös machte. Andererseits, dachte er, kann man ja nun nicht die Kinder hier anpfeifen, das ist irgendwie asozial, das kommt schlecht an, dachte Herr Lehmann und bewunderte dabei die Frau am Tresen, die mit einer Engelsgeduld und unbeschadet der geringen Umsätze, die mit Weingummi-Schlangen, Weingummi-Teufelchen, Weingummi-Krokodilen und ähnlichem zu machen waren, geradezu vorbildlich auf die Wünsche und vor allem die vielen Sinneswandel ihrer zwergenhaften Kundschaft einging. Die hat die kleinen Scheißer richtig lieb, dachte Herr Lehmann und liebte dafür wiederum die Frau, wir sollten alle so sein, dachte er, darum geht es, wenn man hinter dem Tresen steht, dachte er, jeder, der kommt, ist gleich und hat die gleichen Rechte, nichts mit Beck’s, Budweiser oder Engelhardt fragen und dann gar nicht erst die Antwort abwarten, nein, von der Frau kann man sich wirklich eine Scheibe abschneiden, dachte Herr Lehmann, aber trotzdem war er nervös und wünschte sich, daß er endlich einen Kaffee bekam und sich damit auf seinen Beobachtungsposten begeben konnte.
    “Hallo! Hallo! Sie sind dran.”
    “Der ist doch auch noch da”, sagte Herr Lehmann und zeigte auf einen kleinen Jungen.
    “Der muß sich erst noch entscheiden”, sagte die Frau und lächelte. “Was soll’s denn

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