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Herr Lehmann

Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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sein?”
    “Einen Kaffee bitte.”
    “Haben Sie einen leeren Becher?”
    “Muß ich?”
    “Nein”, sagte die Frau, “aber das macht dann zwei Mark Pfand obendrauf, nicht daß Sie sich über den Preis wundern.”
    “Ja klar”, sagte Herr Lehmann und merkte, daß er Hunger hatte.
    Die Frau brachte den Kaffee. “Alles?”
    “Nein, äh, ich nehme noch, ich nehme noch …” Herr Lehmann überflog hektisch die Vitrine rechts von ihm, aber da war nicht mehr viel drin, nur noch einige Plastikschälchen mit etwas, das wie Milchreis aussah, und einige panierte Stücke Fleisch, die wohl erst noch in die Friteuse mußten, und das dauerte ihm zu lange.”… ich nehme, äh, ja, ne”
    “Da drüben haben wir noch Kranzkuchen, sonst ist nichts mehr da, die Brötchen sind alle”, sagte die Frau geduldig und Herr Lehmann schämte sich ein bißchen, weil er jetzt selber alles aufhielt.
    “Ja gut, nehm ich”, machte er der Sache ein Ende.
    “Hallo Herr Lehmann!”
    Er drehte sich um. Hinter ihm stand plötzlich Jürgen, ein alter Bekannter.
    “Kannst du mir vier Bier mitbringen?”
    “Und vier Bier”, sagte Herr Lehmann automatisch zu der Frau.
    “Schultheiß oder Kindl?”
    Gute Frage, dachte Herr Lehmann. Schultheiß oder Kindl?” fragte er Jürgen.
    “Scheißegal”, sagte Jürgen.
    “Schultheiß”, sagte Herr Lehmann und spürte, wie die Leute in der Schlange hinter ihm unruhig wurden.
    “Und Streichhölzer”, rief Jürgen.
    “Streichhölzer auch noch”, sagte die Frau und legte welche dazu. War’s das dann?”
    “Jaja”, sagte Herr Lehmann verlegen und bezahlte.
    “ Ist doch alles derselbe Dreck”, sagte Jürgen, als er neben ihm auftauchte,  um ihm beim Tragen zu helfen. “Was machst du denn hier? Wir haben dich  vorhin schon gesehen”, fügte er hinzu.
    “Wer ist wir?” fragte Herr Lehmann.
    “Die anderen und ich”, sagte Jürgen sinnlos.
    “Ah ja”, sagte Herr Lehmann ironisch.
    Jürgen fiel das gar nicht auf. Sie gingen zusammen hinaus, und draußen rief er: “Leute, guckt mal, wer hier ist, Herr Lehmann!”
    “Oho! Herr Lehmann, vorhin schon bewundert.”
    “Wo ist denn die schicke Badehose hin, die hätte ich gerne noch mal in Ruhe betrachtet.”
    Die anderen waren Marko, Klaus und Michael, sie saßen schon an einem Tisch und warteten auf ihr Bier. Herr Lehmann kannte sie alle ziemlich gut, mit Marko und Jürgen hatte er früher einmal im Hasen gearbeitet, einer mittlerweile aufgegebenen Kneipe von Erwin, die beiden waren damals rausgeflogen, weil Erwin der Meinung gewesen war, sie hätten eine allzu große Affinität zum Freibier; so hatte er es tatsächlich ausgedrückt, denn Erwin hatte früher einmal Germanistik studiert und redete manchmal so. Jetzt arbeiteten Marko und Klaus in Jürgens Kneipe, dem Abfall, das war die Kneipe direkt neben dem Einfall, in dem Herr Lehmann arbeitete. Jürgen hatte das Abfall so genannt, um Erwin zu ärgern, denn eigentliche Konkurrenz machten sie sich nicht, im Abfall ging es immer erst richtig los, wenn das Einfall gerade zumachte, weshalb das Abfall auch immer bis mindestens neun Uhr morgens geöffnet blieb. Außerdem war da noch Michael, den alle immer nur Micha nannten, und der immer mit dabei war, wenn Jürgen, Marko und Klaus irgendwo auftauchten, und von dem niemand genau wußte, womit er eigentlich sein Geld verdiente, er machte irgendwas mit Journalismus. Herr Lehmann setzte sich zu ihnen an den Tisch.
    “Schau mal an, der Herr Lehmann, mit Kaffee und Kuchen!”
    “Das sieht gut aus, das ist nahrhaft.”
    Sie nahmen ihr Bier und prosteten Herrn Lehmann zu. Herr Lehmann nahm ihnen ihr Geschwätz nicht krumm. Sie meinten es nicht böse, und er mochte sie gern. Normalerweise hätte er sich gefreut, sie hier zu treffen, obwohl es, wenn man ehrlich war, kaum einen Tag gab, an dem er sie nicht irgendwo traf.
    “Ich sage ja immer, kein Nachmittag sollte ohne Kaffee und Kuchen sein.”
    “Vor allem sonntags nicht.”
    Das Problem war nur, daß Herr Lehmann von dort, wo sie saßen, den Einlaßbereich des Prinzenbades schwer überschauen konnte. Aber er hatte natürlich keine Wahl, als sich zu ihnen zu setzen, es war undenkbar, sich allein an einen anderen, günstigeren Tisch zu setzen, wie hätte er das erklären sollen?
    “Guck dir den Herrn Lehmann an, immer sportlich, immer auf dem Posten.”
    “Ihr seid doch alle Idioten”, sagte Herr Lehmann nachsichtig und nippte an seinem Kaffee. Darüber freuten sich die anderen und lachten

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